Die rückläufigen Zahlen der Abwanderung aus den neuen Bundesländern in den Westen zeugen von einem vereinten Deutschland. Dass die Grenze zwischen Osten und Westen immer mehr verschwimmt, ist vielleicht die wichtigste Deutung der neuen Studie. Im Jahr 2014 lag die Differenz von Zuzügen und Fortzügen ohne Berlin bei 3300 Menschen – der mit Abstand geringste Wert seit der Wiedervereinigung, wie aus einer am Freitag veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hervorgeht. Der Bevölkerungsschwund in ländlichen Kreisen ist damit aber nicht gestoppt.

Der Studie zufolge sank die Ost-West-Wanderung im gesamten Zeitverlauf seit 1991 zunächst von 165.000 auf 25.000 im Jahr 1996. Infolge der schwierigen wirtschaftlichen Lage in den neuen Bundesländern stieg sie dann bis 2001 erneut auf 98.000, bevor die Entwicklung stetig rückläufig wurde. Grund war nicht allein die sinkende Zahl der Menschen, die dem Osten den Rücken kehrten, sondern auch die zunehmende Zahl der Rückkehrer.

Neue Bundesländer haben „wirtschaftlich aufgeholt“

„Der Osten hat sich stabilisiert, der Strukturwandel ist vollzogen“, sagte IW-Forscher Wido Geis den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Freitag. Die neuen Bundesländer hätten „wirtschaftlich aufgeholt“, der starke Arbeitsplatzabbau aus den Nachwendejahren sei gestoppt. „Der Osten ist attraktiv geworden.“

Gleichwohl verlieren nach wie vor viele ländliche Kreise in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sowie dem südlichen Brandenburg stark an Bevölkerung. Das ist allerdings kein rein ostdeutsches Thema, sondern betrifft auch einige Regionen im Westen, insbesondere im nördlichen Bayern.

Die stärkste Abwanderung verzeichnete der Studie zufolge im Jahr 2014 der Landkreis Fürth mit 4,2 Menschen je tausend Einwohnern. An zweiter Stelle folgte der Elbe-Elster-Kreis in Brandenburg mit 3,7 und an dritter die Stadt Würzburg mit 3,4 Abwanderern je tausend Einwohner.

Deutlich mehr Männer packen ihre Koffer

Deutlich veränderten sich in den vergangenen Jahren auch die Wanderungsmuster. Wanderten noch bis zum Jahr 2008 mehr Frauen als Männer aus den neuen in die alten Bundesländer, verlassen seitdem mehr Männer den Osten. Unter dem Strich verließen 2014 rund 3240 Männer, aber nur 92 Frauen den Osten in Richtung Westen. Als einen Grund dafür nennt das IW die besseren Perspektiven am Arbeitsmarkt, vor allem im Dienstleistungsbereich.

Dennoch herrscht in vielen Teilen der neuen Bundesländer der Studie zufolge noch immer ein starker Männerüberschuss. Auch insgesamt glichen sich die Geschlechterverhältnisse noch längst nicht an. So waren 2014 im Osten 52,4 Prozent der 20- bis 49-Jährigen männlich, während es im Westen nur 50,5 Prozent waren.

Abwanderung aus ländlichen Gebieten bleibt konstant

Den höchsten Männerüberschuss in dieser Altersgruppe wiesen mit einem Anteil von jeweils 52,7 Prozent Sachsen-Anhalt und Thüringen auf, gefolgt von Sachsen mit 52,6 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern mit 52,4 Prozent und Brandenburg mit 51,6 Prozent. Einen Frauenüberschuss in dieser Altersklasse gab es demnach nur in einem einzigen Bundesland – nämlich in Hamburg.

Nach Angaben der Forscher bleiben der Politik wenige Handlungsspielräume, um der Abwanderung aus den ländlichen Gebieten entgegenzuwirken. So müssten besonders betroffene Gebiete vor allem für junge Menschen attraktiver gemacht und Rückkehrinitiativen unterstützt werden. Dazu sei es wichtig, bessere Rahmenbedingungen für die Ansiedlung von Unternehmen zu schaffen.

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