In der afghanischen Stadt Masar-i-Scharif haben die Taliban das deutsche Konsulat angegriffen. Um 23.05 Uhr Ortszeit sei eine Autobombe vor dem Gebäude explodiert, meldete die Nachrichtenagentur dpa. Laut einem Nato-Sprecher könnte es sich sogar um zwei Bomben gehandelt haben. Auf dem Gelände des Konsulats habe es „Kampfhandlungen“ gegeben, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. In der Nacht zu Freitag erklärte er den Angriff für beendet.
Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien „sicher und unverletzt“, heißt es in einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes. Wie viele afghanische Zivilisten und Mitglieder des Sicherheitspersonals bei dem Angriff ums Leben gekommen oder verletzt worden seien, ist demnach noch nicht abschließend geklärt.
Mindestens vier Menschen seien getötet worden, sagte der Leiter des großen Zivilkrankenhauses, Nur Mohammed Fais. Die Zahl der Verletzten stieg seinen Angaben zufolge auf mindestens 119. Die Opfer sollen größtenteils Zivilisten sein, die sich auf der belebten Straße vor dem Konsulat aufgehalten haben.
Die Taliban haben sich zu dem Anschlag bekannt. Demnach hat ein Selbstmordattentäter mit seinem mit Sprengstoff beladenen Lastwagen das Tor und eine Mauer am Konsulatsgebäude gerammt, es gab eine schwere Explosion. Das Tor und Teile der Mauer wurden zerstört, im Straßenasphalt klafft ein Krater. Rund um das Konsulatsgebäude sei nach der Explosion der Strom ausgefallen.
Um wie viele Angreifer es sich gehandelt hat, ist unklar. Das Auswärtige Amt teilte mit, „die schwer bewaffneten Angreifer“ seien zurückgeschlagen worden. Nach Angaben der örtlichen Polizei habe es nur einen Attentäter gegeben.
Panik unter den Einwohnern
Anwohner berichten, dass das gesamte Stadtzentrum von der Detonation erschüttert worden sei. Im Umkreis von zwei Kilometern seien Fensterscheiben geborsten. Über der Stadt kreisten Hubschrauber. In einem Teppichmarkt neben dem Konsulat soll ein großer Brand ausgebrochen sein, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.
Der afghanische Rundfunkjournalist Tahir Qadiry wurde Augenzeuge des Angriffs. Gegenüber SPIEGEL ONLINE sagte er: „Die Menschen sind in Panik auf die Straßen gerannt. Die Explosion war so stark, dass alle dachten, ihre eigenen Häuser wurden getroffen.“ Er selbst sei mit Freunden nur wenige hundert Meter vom Konsulat entfernt gewesen. „Alle schrien durcheinander, es war ein totaler Schock.“ Niemand habe einen solchen Anschlag erwartet, weil Masar-i-Scharif in den vergangenen Jahren ein sicherer Ort gewesen sei. Auf Twitter beschrieb er chaotische Szenen.
Im Auswärtigen Amt war umgehend der Krisenstab zusammengetreten, um die Lage zu besprechen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, aber auch Innenminister Thomas de Maizière wurden unterrichtet, weil speziell ausgebildete Bundespolizisten die Botschaften und Konsulate im Ausland schützen.
Bundeswehr schickt „Quick Reaction Force“
Die Wachleute des deutschen Konsulats hätten es den afghanischen Sicherheitskräften nicht erlaubt, das Gelände zu betreten, um den Schaden in Augenschein zu nehmen, sagte Provinzsprecher Farhad. Die Bundeswehr, die im zehn Kilometer entfernten Camp Marmal sitzt, schickte die sogenannte Quick Reaction Force in die Stadt, um die Lage vor dem Konsulat zu überprüfen. Die robuste Einheit wird von der georgischen Armee gestellt, aber von der Bundeswehr trainiert und mit modernstem Material ausgestattet.
Ein Taliban-Sprecher sagte in einem Statement, der Anschlag sei eine Vergeltungstat für einen Luftangriff in der nordafghanischen Provinz Kundus. Vor einer Woche waren dort bei einem mutmaßlichen Nato-Luftangriff auf Stellungen der Taliban mehr als 30 Zivilisten getötet worden, 19 weitere wurden verletzt. Die Bundeswehr hatte sich nicht an der Aktion beteiligt. Der Angriff hatte international Kritik ausgelöst.
Zuletzt gab es Rückschläge im Kampf gegen die Taliban
Das nordatlantische Bündnis hatte seinen Kampfeinsatz in Afghanistan Ende 2014 offiziell beendet und den afghanischen Sicherheitskräften die Verantwortung für die Sicherheit übergeben. Die verbleibenden Nato-Truppen konzentrieren sich seitdem auf Ausbildung, Beratung und Unterstützung von Anti-Terror-Einsätzen. 938 deutsche Soldaten sind derzeit in dem Land stationiert. Mehrere Rückschläge im Kampf gegen die Taliban ließen zuletzt aber Zweifel an der Schlagkraft der afghanischen Polizei und Armee aufkommen.
Das deutsche Konsulat in Masar-i-Scharif wurde im vergangenen Jahr wegen der latenten Gefahrenlage aufwendig gegen Angriffe gehärtet, unter anderem mit sogenannten Blast-Walls, die die Wucht von Explosionen abfangen sollen, und mit einer neuen Eingangsschleuse. Die Millionen-Metropole gilt als eine der sichersten Städte in Afghanistan, im Gegensatz zu anderen Städten wie Kabul.
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