Journalisten aus der ganzen Welt berichten rund um die Uhr aus Afghanistan und riskieren dafür ihr Leben. Denn die Taliban wollen die Medienvertreter offenbar gezielt zum Schweigen bringen – auch auf Kosten ihrer Familien.
Bei einer ersten Pressekonferenz sprach der Sprecher der Taliban von „Vergebung“. In Wahrheit machen die Islamisten – nicht erst seit ihrer Machtübernahme in Kabul – Jagd auf Journalisten. Auf der Suche nach ihren erklärten Feinden ziehen sie Medienberichten zufolge von Haus zu Haus. Und machen auch keinen Halt vor unbeteiligten Angehörigen.
Auf diese Weise sollen die Taliban ein Familienmitglied eines Deutsche-Welle-Journalisten erschossen, einen weiteren Angehörigen schwer verletzt haben. Es ist nur ein Fall von vielen. Journalisten aus der ganzen Welt – und offenbar auch ihre Familien – müssen in Afghanistan um ihr Leben bangen.
Fotostrecke: Als Kabul in die Hände der Taliban fiel 1205
US-Medien arbeiten für Rettungsaktion mit Pentagon zusammen
In einem am Donnerstag erschienenen Artikel schildert die „New York Times“, wie Nachrichtenorganisationen afghanische Kollegen aus Kabul herausholten. Die neuen Machthaber hätten am überfüllten Flughafen der Hauptstadt gezielt auf Journalisten von US-Medien geschossen. Mehrere Tage hätten die rund 200 lokalen Mitarbeiter und ihre Familien ungesichert in ihren Häusern ausharren müssen, bevor sie außer Landes gebracht werden konnten.
Bei der schwierigen Rettungsaktion hätten US-Redaktionen, das Pentagon und Katar zusammenarbeiten müssen. „Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, sich weiterhin für die vielen tapferen afghanischen Journalisten einzusetzen, die in dem Land noch immer in Gefahr sind“, sagte Arthur Gregg Sulzberger, Herausgeber der „New York Times“.
Doch nicht immer gelingt die Rettung: Laut Unesco wurde allein dieses Jahr der Tod von sieben Journalisten in Afghanistan bestätigt. Darunter auch ein Übersetzer, der laut DW häufig für die Wochenzeitung „Zeit“ gearbeitet habe. Gemeinsam mit zahlreichen anderen deutschen Medien hat der stern an die Bundesregierung appelliert, Journalisten aus Afghanistan zu retten. In den offenen Brief fordern die Medien unter anderem ein Visa-Notprogramm für afghanische Mitarbeiter.
Stringer in Kabul 16.37
Al Jazeera entsendet mehr Reporter nach Afghanistan
Die „Los Angeles Times“ berichtet, wie einer ihrer Fotografen von einem Taliban-Kämpfer auf den Kopf geschlagen wurde, als er Menschen ablichtete, die statt des weißen Taliban-Banners die afghanische Nationalflagge hissen wollten. Die Soldaten hätten dann weiter auf den Journalisten und einen Kollegen eingeschlagen, bevor sie sie schließlich freigelassen hätten.
Die Jagd nach den Medienvertretern läuft offenbar gezielt ab, berichtet die Deutsche Welle. Neben der Ermordung der Angehörigen seien die Häuser von mindestens drei weiteren DW-Journalisten durchsucht worden. Der „New York Times“ zufolge verzichten einige Rundfunkjournalisten mittlerweile auf gepanzerte Fahrzeuge und nutzen stattdessen nicht gekennzeichnete Taxis, um unentdeckt zu bleiben. Auch hätten Journalisten trotz des unzuverlässigen Handynetzes ihre Satellitentelefone abgeschaltet, um ihre Standorte nicht preiszugeben, wie Deborah Rayner von CNN erklärt habe.
Nur der in Katar ansässige Nachrichtensender „Al Jazeera“ operiert laut Informationen der „New York Times“ noch weitestgehend unbehelligt – es seien sogar zusätzliche Reporter entsandt, vor allem aus den Nachbarländern. „Die Konzentration auf Afghanistan ist im Moment sehr wichtig und entscheidend für die Menschen in Afghanistan, um die Taliban für ihre Zusagen, die sie gemacht haben, zur Rechenschaft zu ziehen“, habe der leitende Redakteur Mohamed Moawad erklärt.
Quellen: „New York Times“, „Deutsche Welle“, „Los Angeles Times“
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