Es ist der 1. Januar 1973: Nach einem Jahrzehnt harter Verhandlungen tritt Großbritannien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) bei – einem Vorläufer der Europäischen Union. Der Beitritt wird mit tagelangen Feierlichkeiten begangen. Doch auch schon damals spaltet der Beitritt die britische Öffentlichkeit.    

Die EWG wächst damals von sechs auf neun Mitgliedstaaten an – neben Großbritannien treten auch Dänemark und Irland dem Staatenbund bei. Der damalige konservative britische Premierminister Edward Heath beschreibt den Eintritt seines Landes in die EWG als „sehr bewegend“. Im Rahmen eines „Fanfare für Europa“-Festes finden über etwa zehn Tage hinweg landesweit rund 300 Sport- und Kulturveranstaltungen statt.     

Fußballspieler der drei neuen Mitgliedstaaten treten gegen ein Team von Spielern der sechs übrigen EWG-Mitglieder an. Italien leiht Großbritannien einen Michelangelo für eine Ausstellung, die Niederlande stellen einen Rembrandt zur Verfügung. Nur der Louvre verdirbt den Spaß, weil sich das Museum weigert, dass die „Mona Lisa“ Paris verlässt.    

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Die britische Presse widmet dem historischen Ereignis ihre Titelseiten. „Ein Kapitel von eintausend Jahren Geschichte geht zu Ende“, schreibt etwa die „Sunday Times“. Der „Sunday Telegraph“ sagt vorher, der Beitritt werde sich als genauso entscheidend für die britische Geschichte erweisen wie die Schlachten von Hastings und Waterloo.    

„Zögerlich und tief gespalten“

Am 31. Dezember 1972 organisieren die schärfsten Gegner des EWG-Beitritts noch einen letzten Protest: Rund 500 Demonstranten nehmen an einem von Dudelsäcken untermalten Fackelzug vor dem Parlament in London teil. Bei den offiziellen Feierlichkeiten werden Queen Elizabeth II. und Prinz Philip am 3. Januar 1973 bei einem Galaabend im Londoner Stadtteil Covent Garden von rund 200 Demonstranten mit Stinkbomben begrüßt.    

Die Beitrittsentscheidung war 1972 per Parlamentsvotum getroffen worden. Ein Referendum gab es, anders als in den beiden anderen neuen Mitgliedstaaten Dänemark und Irland, in Großbritannien vorher nicht. Die Bevölkerung ist „zögerlich und – den Umfragen zufolge – tief gespalten“, schrieb AFP damals.    

67 Prozent stimmen 1974 für den Verbleib in der EU 

AFP-Reporter Basile Tesselin hört sich in einem Londoner Pub um: „Wir haben unsere eigene Regierung, ein von uns gewähltes Parlament“, sagt ein Arbeiter. „Wir wollen nicht von wer weiß wem in Brüssel geführt werden. Alles, was wir haben, ist besser als was ihr habt.“    

„Ich hüte mich vor euch, ich sehe euch kommen“, sagt ein schottischer Taxifahrer. „Ihr saugt uns auf und sobald wir in der Falle sitzen, werdet ihr uns von unseren echten Freunden entzweien, den Amerikanern, Kanadiern, Australiern. Und ihr werdet alle Kommunisten und zieht uns mit runter.“    

Die oppositionelle Labour-Partei macht schnell klar, dass sie Nachverhandlungen des Beitrittsabkommens will. Parteichef Harold Wilson wirft der Regierung vor, ihre Verantwortlichkeiten an Brüssel abgetreten zu haben.     

1974 kommt Labour wieder an die Macht und erzielt die Zusicherung für Nachverhandlungen. Im Jahr darauf organisiert Labour ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EWG. Das „Ja“-Lager gewinnt mit 67 Prozent.teaser

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