Die letzte Hürde für den Ampel-Koalitionsvertrag ist genommen: Nach SPD und FDP haben die Grünen das Ergebnis der Urabstimmung ihrer Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit SPD und FDP und das Personaltableau der Grünen im Bundeskabinett bekannt gegeben. Nach Angaben von Bundesgeschäftsführer Michael Kellner stimmte eine Mehrheit von 86 Prozent dafür, nach 16 Jahren wieder in eine Bundesregierung einzutreten.
Kellner sagte, das Ergebnis sei Rückenwind für einen gelungenen Start in die Bundesregierung. Die Wahlbeteiligung lag nach seinen Angaben bei 57 Prozent. Davon hätten 86 Prozent für den Koalitionsvertrag gestimmt; zwölf Prozent dagegen, etwa zwei Prozent hätten sich enthalten. Die Zustimmung fällt damit geringer aus als bei der SPD, dort hatten 98 Prozent für den Koalitionsvertrag gestimmt; und auch bei der FDP, die mit 92 Prozent für das Papier votiert hatte.
Ärger über Kabinettspostenverteilung
Während SPD und FDP Parteitagsdelegierte über den Koalitionsvertrag abstimmen ließen, durften bei den Grünen alle etwa 125.000 Mitglieder in einer Urabstimmung ihr Votum abgeben.
Für Ärger hatte gesorgt, dass die Parteispitze um Annalena Baerbock und Robert Habeck den profilierten Landwirtschafts-Experten Anton Hofreiter vom linken Flügel der Grünen bei den Ministerposten nicht berücksichtigt hatten. Außerdem gab es Kritik daran, dass die Grünen quasi in letzter Sekunde das Verkehrsministerium der FDP überließen und im Koalitionsvertrag Anliegen zum Klimaschutz weniger verbindlich als von vielen Grünen erhofft formuliert wurden. So heißt es in dem Papier, der Ausstieg aus der Kohle solle „idealerweise“ bis 2030 erfolgen. Außerdem wurden ein Tempolimit und Steuererhöhungen ausgeschlossen, beides ebenfalls Forderungen der Grünen.
„Emotionaler Moment“ für Cem Özdemir
Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses stellten sich die designierten Ministerinnen und Minister der Grünen vor.
Cem Özdemir, der Landwirtschaftsminister werden soll, sagte, es sei ein emotionaler Moment für ihn. Seine Eltern seien vor 60 Jahren als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Ihm sei es nicht an der Wiege gesungen worden, dass er mal als Minister in die Bundesregierung eintreten würde. Priorität Eins sei das erfolgreiche Regieren. Die Partei und die Gesellschaft müsse in ihrer Breite mitgenommen werden, damit sie das Gefühl habe, die Regierung sei das „Deutschland des 21. Jahrhunderts“.
Özdemir, der Vegetarier ist, sagte, das sei eine persönliche Lebensstilentscheidung. Er werde als Landwirtschaftsminister anderen Menschen nicht vorschreiben, was sie essen sollen. Wichtig sei, dass Fleisch aus artgerechter Haltung komme, dafür werde er sich als Landwirtschaftsminister einsetzen. Es gehe darum, das Artensterben und das Höfesterben zu beenden und den Klimaschutz voranzutreiben. „Aber nicht, indem wir den Leuten sagen, was richtig und was falsch ist, sondern, indem wir den Menschen erstmal zuhören“.
Claudia Roth, die designierte Kulturstaatsministerin, sprach von einem „ziemlichen mega-Ergebnis“ ihrer Partei. Das sei ein Vertrauensvorschuss, den die Grünen nun auch einlösen müssten. Sie sprach von einem „Paradigmenwechsel von der Verwaltung des Status Quo zu einem Aufbruch in die Wirklichkeit“. Alle hätten sich vorgenommen, den Klimaschutz anzugehen. Zudem müsse die Demokratie und die Erinnerungskultur gestärkt werden – in Zeiten, in denen „es Fackelaufmärsche gibt in unserem Land“. Sie bezog sich dabei darauf, dass am Wochenende mehrere Menschen mit Fackeln vor dem Privathaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) aufmarschiert waren.
Baerbock: Klimaschutz „zentrale Menschenrechtsaufgabe unserer Zeit“
Auf Nachfrage, was nun aus Hofreiter werde, der nicht als Minister zum Zuge kam, blieb der künftige Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck vage. „Wir werden alle brauchen, alle Positionen so besetzen, dass alle in der Partei und speziell Anton Hofreiter, ihre Wirksamkeit entfalten können“, sagte er. Habeck sagte zudem, die Grünen hätten mit ihrer Ministerbesetzung „das vielfältige Deutschland in vorbildlicher Weise“ abgebildet.
Die designierte Außenministerin Baerbock kündigte eine „wertegeleitete, europäischere Außenpolitik“ an. Angesprochen auf den Umgang mit China insbesondere in Klimaschutzfragen sagte sie, internationaler Klimaschutz sei „die zentrale Menschenrechtsaufgabe unserer Zeit“, die auch im Auswärtigen Amt künftig eine zentrale, neue Rolle spielen werde. Man werde mit China als einem größten Player der Welt kooperieren müssen, etwa bei der Pandemiebekämpfung und in Klimafragen. Sie nannte China zugleich einen „Systemrivalen.“ Sie kündigte an, auch in der Zusammenarbeit mit den anderen Parteien in der Bundesregierung „in schwierigen Momenten nicht zu schweigen, sondern das offene Wort und die Selbstreflexion zu suchen“.
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