Der CIA-Bericht über russische Wahlkampfhilfe für Trump versetzt die USA in Unruhe. Der künftige Präsident stellt sich gegen seine eigenen Geheimdienste. Der Kongress könnte die Hintergründe bald aufrollen.
Er liest angeblich nicht einmal die Geheimdienst-Briefings, die ihm seit dem Wahlsieg täglich auf den Schreibtisch flattern. „Ich bin eine kluge Person“, sagt Donald Trump. „Man muss mir in den nächsten acht Jahren nicht jeden Tag dieselbe Sache in denselben Worten vortragen.“
Donald Trump gegen die Geheimdienste – es ist ein bemerkenswerter Kampf, der sich in diesen Tagen in den USA auftut.
Seit öffentlich wurde, dass die CIA sich sicher ist, Russland habe Trump ins Weiße Haus verholfen,behandelt der Milliardär die Nachrichtendienste wie Feinde. „Das sind dieselben Leute, die gesagt haben, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hatte“, sagt Trump. Die Botschaft: Glaubt denen kein Wort; an der Nummer mit Russland ist nichts dran.
Tatsächlich aber haben die Berichte über die angeblichen CIA-Erkenntnisse das Land über das Wochenende in erhebliche Aufregung versetzt. Beide Parteien im Kongress nehmen die Vorwürfe, Moskau habe mit Cyberangriffen den Republikaner gezielt stützen wollen, sehr ernst. Am Sonntag empfahlen vier führende Demokraten und Republikaner – darunter Ex-PräsidentschaftskandidatJohn McCain -, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der das Agieren Russlands im Wahlkampf durchleuchten soll. Zudem hat der scheidende PräsidentBarack Obama die Geheimdienste damit beauftragt, einen abschließenden Bericht zu dem Thema vorzulegen.
Das Problem für Trump ist, dass viele in seiner Partei die Schilderung der Geheimdienste nicht nur für plausibel, sondern sogar für sehr wahrscheinlich halten. „Ich glaube, dass Russland in unsere Wahlen eingegriffen hat – und ich will, dass Putin dafür persönlich einen Preis zahlt“, sagt Lindsey Graham, einer der führenden republikanischen Senatoren. Trumps Neigung, Russlands Regierung von jedem Manipulations-Verdacht freizusprechen, stört etliche seiner Parteifreunde. „Putin ist ein Gangster, ein Tyrann und ein Mörder, und jeder, der ihn anders beschreibt, lügt“, sagt McCain.
Russlandfreundliche Personalien
Die Kluft, die sich in Sachen Russland zwischen dem gewählten Präsidenten und seinen Leuten auftut, droht das ohnehin nicht sehr stabile Band zwischen ihnen zu beschädigen. Die Cyberattacken sind das eine, Trumps sehr russlandfreundliche Personalien das andere. Erst ernannte er mit Michael Flynn einen Mann mit Kontakten nach Moskau zum Sicherheitsberater. Seit bekannt ist, dass er darüber nachdenkt, den Putin-FreundRex Tillerson zum Außenminister zu machen, fragen sich manche, was eigentlich in Trump gefahren ist.
Trump dürfte darauf hoffen, dass nie wirklich bewiesen werden kann, wie sehr der Kreml auf ihn setzte. Doch die US-Nachrichtendienste scheinen sich recht sicher zu sein. Dafür spricht, dass seit Freitag niemand der Darstellung widersprochen hat, die Dienste seien allesamt der Meinung, Russland habe mit Cyberattacken nicht nur Unordnung im Wahlkampf stiften, sondern ausdrücklich Trump helfen wollen.
Bekannt ist, dass US-Behörden schon vor der Wahl bei zwei komplexen Cyberangriffen auf die Computer der Demokratischen Partei und das E-Mail-Konto von Clintons Wahlkampfchef John Podesta die Regierung in Moskau im Verdacht hatten. Über eine Analyse von Metadaten waren IT-Forensiker im Frühsommer auf Spuren zweier in der Sicherheitsszene gut bekannter russischer Hackergruppen gestoßen: Cozy Bear und Fancy Bear. Beide sollen für zwei rivalisierende russische Geheimdienste arbeiten, den FSB und den Militärgeheimdienst GRU.
Inzwischen sollen die Ermittlungen weiter fortgeschritten sein. Im Verlauf der vergangenen Monate wollen die US-Geheimdienste herausgefunden haben, dass die bei den Cyberangriffen verwendete Schadsoftware identisch mit jener gewesen ist, die schon bei früheren Attacken verwendet wurde, die Russland zugeschrieben wurden. Angeblich haben die CIA und andere Behörden zudem konkrete „Individuen“ hinter den Cyberangriffen identifizieren können, die im Militärgeheimdienst GRU sitzen. Sollte das stimmen, wäre die These, Putins Umfeld habe die Operation befohlen, nicht mehr ganz so absurd wie man denken könnte.
Neu ist auch die Behauptung, neben den Rechnern der Demokraten seien auch die Server der Republikanischen Partei angezapft worden. Dass die dabei entwendeten E-Mails – anders als die Daten aus Clintons Umfeld – nicht veröffentlicht wurden, ist aus Sicht der Dienste ein Indiz für die Motivation der Angreifer, Trump zu helfen und der Demokratin zu schaden. Wie umfassend die Republikaner ausgespäht wurden, ist allerdings unklar. Die Partei selbst widerspricht, überhaupt Opfer eines Cyberangriffes gewesen zu sein. Auch die Bundespolizei FBI ist skeptisch.
Obama will Bericht vor dem 20. Januar
Für die Frage, wie sehr die Spur nach Moskau Trump schaden kann, sind vor allem die Details über die angeblichen Hintermänner von Bedeutung. Sollte es zu einem Untersuchungsausschuss kommen, dürfte die Identifizierung von russischen Verantwortlichen eine der Hauptinteressen sein. Je konkreter die Angaben und je prominenter die Figuren, desto unangenehmer könnte das Thema für Trump werden.
Für Obama ist das Thema schon jetzt unangenehm. Der scheidende Präsident wurde angeblich bereits vor der Wahl von den Diensten eingeweiht. Die Details behielt er aber offenbar auch deshalb unter Verschluss, weil er nicht riskieren wollte, als Wahlkämpfer zu erscheinen. Nun hat er seine Behörden dazu aufgefordert, den Abschlussbericht noch vor Trumps Inauguration am 20. Januar vorzulegen.
Wie viel davon öffentlich diskutiert werden wird, ist unklar. In der Regel sind derlei Analysen hoch geheim. Doch darf man annehmen, dass Obama, der um die Errungenschaften seiner Amtszeit fürchten muss, ein Interesse daran hat, die russische Hilfe zu einer Art dunklen Wolke über der Präsidentschaft seines Nachfolgers zu machen. Und Trumps Gegner im Kongress könnten dieses Interesse teilen.
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