Es wird immer noch ausgezählt in den Vereinigten Staaten, auch zwei Wochen nach der Wahl. Und der Vorsprung von Hillary Clinton wächst und wächst, bei der popular vote liegt sie jetzt mit mehr als zwei Millionen Stimmen vorn – aber um diese Gesamtzahl der Stimmen geht es im amerikanischen Wahlsystem bekanntlich nicht.
Bitter für jene Hälfte des Landes, die für Clinton gestimmt hat, und frustrierend insbesondere für ihre Wahlhelfer. Auch deshalb haben sich am Mittwoch so viele auf eine Meldung gestürzt, nach der die Demokratin in drei wahlentscheidenden Staaten durch Manipulationen benachteiligt worden sein könnte.
Experten für Computersicherheit wollen herausgefunden haben, dass etwa im umkämpften Bundesstaat Wisconsin in jenen Bezirken, in denen elektronisch gewählt wurde, Clinton sieben Prozent weniger Stimmen bekam als dort, wo Stimmzettel per Hand ausgezählt wurden – und ihr so die entscheidenden Stimmen gefehlt hätten.
Ein Hinweis auf eine Hackermanipulation? War die Wahl also doch „rigged“, worüber Donald Trump im Wahlkampf so gern schwadronierte, nur eben zu dessen Gunsten?
Datenexperten zerpflücken die Theorie
Die IT-Spezialisten und andere Aktivisten drängen nun die Wahlverliererin, eine Überprüfung der Stimmauszählung in den Staaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin einzufordern. In allen drei Staaten lag Trump knapp vorn (in Michigan wird immer noch gezählt). Hätte Clinton die drei Staaten gewonnen, wäre sie Präsidentin geworden.
Das Manöver ist der letzte Strohhalm für deprimierte Clinton-Fans.
Immerhin: Hinter dem Befund steht ein ausgewiesener Experte für Wahlcomputer, J. Alex Halderman, Direktor des Center for Computer Security and Society. Er will die Wahlcomputer untersuchen und Wahlzettel nachzählen lassen.
Aber: Selbst in Wisconsin gibt es nur diese statistische Korrelation, aber keine Hinweise auf Manipulationen. Datenexperten zerpflückten die Idee auch umgehend. Statistik-Star Nate Silver wies darauf hin, dass die Theorie nicht einmal einen „grundlegenden Plausibilitätscheck“ überstehe. Rechne man ethnische Zugehörigkeit und Bildungsstand rein, bleibe keinerlei Unterschied zwischen jenen Bezirken mit elektronischer Stimmabgabe und jenen mit Stimmzettel.
Nate Cohn von der „New York Times“ ergänzte, dass Clinton etwa auch in Staaten mit Papierstimmzetteln wie Iowa deutlich verloren habe. In der Tat: Der auffälligste Befund der Wahlnacht war, dass Clinton durch die Bank in den Staaten des Rust Belt und des Mittleren Westen schlecht abschnitt, eigentlich ein eindeutiges Bild.
Vorstellbar scheint jede Manipulation
Dennoch: Die Debatte ist da. Die Theorie verfängt, denn grundsätzlich vorstellbar scheint jede Manipulation nach einem Wahlkampf, in dem Cyberangriffe eine bislang einzigartige Rolle gespielt haben: Hacker verschafften sich etwa Zugang zu den Mails der demokratischen Parteispitze, und von Clintons Chefstrategen John Podesta, drangen in die Wählerregistraturen in Arizona und Illinois ein. Viele Wahlcomputer sind ohnehin veraltet und unsicher, ein altbekanntes Problem.
Die grüne Präsidentschaftskandidatin Jill Stein kündigte am Mittwoch an, die Überprüfung der Abstimmung einzufordern – wenn sie bis Freitag die dafür benötigten zwei Millionen Dollar einsammeln könne. Denn wer ein Audit will, muss selbst zahlen. Auch Clinton selbst wird darum gebeten. Beide müssten sich aber beeilen: In Wisconsin läuft die Frist am Freitag ab, in Pennsylvania am Montag und in Michigan am kommenden Mittwoch.
Der Schock ist nicht verwunden
Ob die Demokraten wirklich diesen Schritt gehen, ist fraglich. Präsident Barack Obama, der sich für eine geordnete Übergabe an Trump ins Zeug legt, dürfte kein gesteigertes Interesse an einer quälenden Anfechtung haben.
Doch Clintons Anhänger trommeln. Der Schock der Wahlnacht ist nicht verwunden, manche Versuche, doch noch was zu rütteln, wirken allerdings mittlerweile etwas verzweifelt. So schrieb etwa Heba Abedin, die Schwester von Clintons engster Beraterin Huma, auf ihrer Facebook-Seite: „55.000 Stimmen, die in Pennsylvania, Michigan und Wisconsin von Trump an Hillary fließen, sind alles, was es braucht, um zu gewinnen.“ Sie rief ihre Bekannten dazu auf, das Justizministerium per Massentelefonanrufen zu einer Überprüfung des Wahlergebnisses zu drängen.
Nachdem seine Erkenntnisse über Umwege so viel Wirbel verursachten, meldete sich nun auch der Urheber der Manipulationsvorwürfe zu Wort. Informatiker Haldermann stellte in einem Blogpost klar, er selbst halte es für „unwahrscheinlich“, dass die Wahl gehackt wurde. Plausibler sei, dass die Umfragen einfach sehr schlecht gewesen seien. Technisch möglich sei ein Hack aber zweifelsfrei.
Mit Sicherheit könne man eine Manipulation nur dann ausschließen, wenn man Wahlzettel und Wahlsysteme in den entscheidenden Staaten untersuche.
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