Christian Lindner fliegt aktuell eine Bäckerei-Anekdote um die Ohren, die er beim FDP-Parteitag am Wochenende zum Besten gab. Der Chef der Liberalen schüre damit Alltagsrassismus und liefere „Nazis einen Vorwand, dunkelhäutige Menschen zu drangsalieren“, heißt es. Manch einer kommentiert gar, Linder wolle mit seiner FDP „die AfD von rechts überholen“. Das ist hanebüchener Unsinn! Was Lindner am Wochenende sagte, ist meilenweit entfernt von den ständigen Grenzüberschreitungen, die wir uns aus Reihen der AfD anhören müssen.

Was hat er gesagt?

„Wir werden qualifizierte Einwanderung brauchen und dafür müssen wir ein weltoffenes Land bleiben. Man kann beim Bäcker in der Schlange nicht unterscheiden, wenn einer mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen bestellt, ob das der hochqualifizierte Entwickler künstlicher Intelligenz aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer. Damit die Gesellschaft befriedet ist, müssen die anderen, die in der Reihe stehen, damit sie nicht diesen Einen schief anschauen und Angst vor ihm haben, müssen sich alle sicher sein, dass jeder, der sich bei uns aufhält, sich legal bei uns aufhält. Die Menschen müssen sich sicher sein, auch wenn jemand anders aussieht und noch nur gebrochen deutsch spricht, dass es keine Zweifel an seiner Rechtschaffenheit gibt. Das ist die Aufgabe einer fordernden, liberalen, rechtsstaatlichen Einwanderungspolitik.“

Warum diese Sätze nicht rassistisch sind

Natürlich kann man diese Sätze kritisieren. Man kann es zum Beispiel blöd finden, dass Lindner Ausländer (und eigentlich alle Menschen) je nach deren Beruf in nützlich und unnütz, gut und schlecht einteilt. Aber der Mann ist nun mal FDPler. Jedoch zu sagen, es sei rassistisch, wenn Lindner meint, Zuwanderer an mangelnden Sprachkenntnissen zu erkennen, wirkt geradezu lächerlich. Natürlich sprechen die meisten Menschen, die erst seit Kurzem in Deutschland leben, in der Regel nicht sofort perfektes Deutsch. Das ist ein Fakt, kein geschürtes Vorurteil. 

Viel schwerer wiegt aber der Vorwurf, Lindner würde mit seiner Anekdote den beschriebenen Alltagsrassismus gutheißen oder gar fördern. Er müsse doch als Politiker die große Moralkeule herausholen und allen Leuten in Bäckereischlangen sagen, dass sie den Zuwanderer gefälligst nicht schief angucken sollen und dass sie keine Angst vor ihm haben müssen, heißt es im Netz und in Kommentaren. Das ist selbstverständlich inhaltlich korrekt. Niemand sollte irgendwen nach seinem Aussehen beurteilen. Belehrungen aber haben hier noch nie funktioniert. Rassismus – in jeder noch so kleinen Form – ist ein auf diffusen Vorurteilen beruhender Irrglaube. Ihm ist mit dem erhobenen Zeigefinger schwer beizukommen.

Christian Lindner hat zumindest eine Strategie

Was die Kritiker obendrein völlig verkennen: Lindner hat zumindest eine Strategie, mit der er versucht, den Vorurteilen entgegenzuwirken. Ein gängiges ist nämlich: „Die sind doch eh alle illegal hier.“ Große Schlagzeilen über Menschen, die sich ihrer Abschiebung wiedersetzen, verstärken diese gefühlte Wahrheit. Lindner fordert eine konsequentere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, weil die Geschichten über schleppende Verfahren den Ruf aller Ausländer schädigten. Das ist zwar gerade mit Blick auf Abschiebungen nach Afghanistan arg kurz gedacht. Es ist aber eine legitime Meinung und eine in sich schlüssige Argumentation.

Christian Lindner will eben nicht „am rechten Rand fischen“ oder der AfD den Rang ablaufen. Er zielt auf die gut zwei Drittel der Deutschen, die mit der aktuellen Flüchtlingspolitik Umfragen zufolge nicht zufrieden sind. Auf die breite Masse, die nun mal beim Bäcker Leute schief anguckt. Er bewertet ihr Verhalten nicht, weil er sie nicht verprellen will – als Politiker ist auch das verständlich. Stattdessen verspricht er ihnen eine konsequentere Umsetzung der Gesetze, in der Hoffnung, dass sich das positiv auf das Image aller Ausländer auswirken wird. Oder anders: Er schlägt Menschen mit irrationalen Ängsten eine mit dem Rechtsstaat zu vereinbarende Lösung vor. Ich kann da beim besten Willen keinen Rechtspopulismus erkennen.

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