Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich über die verbalen Angriffe des SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz am Wochenende nach eigenem Bekunden nicht lange geärgert. „Schwamm drüber“, sagte sie bei einer Veranstaltung des Frauenmagazins Brigitte. „Eigentlich habe ich Martin Schulz immer anders erlebt.“

Schulz hatte der Kanzlerin beim SPD-Parteitag vorgeworfen, mit ihrer Politik betreibe sie einen Angriff auf die Demokratie. Vertreter von CDU und CSU hatten am Montagmorgen mit Empörung auf die Attacke reagiert. Am Abend sagte Merkel: „ich habe es mit Interesse zur Kenntnis genommen – und möchte mich jetzt weiter mit Demokratiestärkung beschäftigen“. In der kommenden Woche werde die CDU ihr Wahlprogramm vorstellen; sie wisse nicht, ob eine Woche den großen Unterschied mache.

Ihrem SPD-Herausforderer Schulz attestierte sie Eloquenz und Überzeugung für Europa. Schulz könne „gestochen scharf sprechen“ und sei „unerschütterlich in seinem Glauben an Europa“ sei. Merkel sagte außerdem, sie finde es interessant, dass es in Deutschland nun einen politischen Wettbewerb zweier Spitzenkandidaten gebe, die beide sehr stark für Europa einträten. Sie sagte, dass es den Wahlkampf „sehr positiv gegenüber Europa“ stimmen könne.

Vor zwei Wochen war Schulz zu Gast in der Veranstaltungsreihe der Brigitte. Damals hatte er gesagt, dass er an Merkel schätze, wie gut sie „Nerven behalten“ könne, etwa, wenn Umfragen nach unten gingen.

Gefragt nach der sogenannten Ehe für alle, bedauerte Merkel die plakative Diskussion. Während Grüne, FDP und SPD die Ehe für alle fordern, sperrt sich die Union bislang. Merkel brachte die Möglichkeit ins Spiel, die Frage zu einer Entscheidung zu bringen, die „eher in Richtung einer Gewissenentscheidung geht“.

Gleichgeschlechtliche Paare könnten dieselbe Verbindlichkeit an Werten leben wie heterosexuelle Paare, sagte die Kanzlerin. Sie wolle die derzeitige Diskussion gerne “ in Richtung einer Gewissensentscheidung“ führen, statt „dass ich jetzt hier mit einem Mehrheitsbeschluss etwas durchpauke“, sagte Merkel. Bei einer Abstimmung im Bundestag ohne Fraktionszwang gilt eine Mehrheit für die Ehe für alle als sicher.  

Merkel sagte, die Diskussion über dieses Thema müsse im Wahlkampf mit großem Respekt geführt werden – auch für diejenigen, die eine andere Meinung hätten. „Dass wir jetzt vier Jahre mit der SPD nie über dieses Thema gesprochen haben und jetzt im Wahlkampf soll es ‚Holter die Polter‘ gehen, das finde ich seltsam“, sagte die CDU-Chefin.

Merkels mutigste Entscheidung?

Die Kanzlerin verteidigte bei dem Gespräch im Berliner Maxim Gorki Theater auch die Art, wie sie Entscheidungen trifft: Bis sie zu einer komme, dauere es manchmal sehr lange. „Aber wenn sie getroffen sind, hadere ich selten damit.“ Sie könne sich nicht an eine Entscheidung erinnern, die sie in jüngster Zeit bereut hätte.

Ihre mutigste Entscheidung, so die Kanzlerin, sei der Ausstieg aus der Kernenergie gewesen. Sie habe das „Drama in Fukushima“ gesehen. „Da war etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten habe“, sagte Merkel. Anschließend habe es bei ihr eine „totale Neuausrichtung“ gegeben. Voraussetzung für sie, Politik zu machen, sei es, morgens aufzustehen und immer noch neugierig zu sein.

In puncto Gleichberechtigung befindet sich die Gesellschaft derzeit nach Ansicht Merkels „in den Mühen der Ebene“. Für sie sei ein gutes Stück geschafft, „wenn Väter bei ihrem Arbeitgeber unter Druck geraten, wenn sie keine Elternzeit nehmen“. Da müsse auch bei der Erziehung von Jungen noch sehr viel geschehen. Nach wie vor gebe es für Frauen karrieretechnisch auch noch die „gläserne Decke“. Die großen Kämpfe für Gleichberechtigung, bei denen Frauen sehr viel Verachtung entgegengeschlagen sei, seien aber vorbei.   

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