Die Kommunen verlangen als Konsequenz aus dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz mehr Videoüberwachung. Das Sicherheitsbedürfnis der Bürger nehme wegen der erhöhten Terrorgefahr und der steigenden Hasskriminalität deutlich zu, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Datenschutz müsse eingeschränkt werden, um eine zielgenauere Videoüberwachung in deutschen Innenstädten zu ermöglichen.
Am vergangenen Montagabend war ein Lastkraftwagen in den Weihnachtsmarkt neben der Gedächtniskirche in Berlin gerast. 12 Menschen starben, etwa 50 wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die Ermittler verdächtigen Anis Amri, einen 2015 nach Deutschland gekommenen und mittlerweile von italienischen Polizisten getöteten Tunesier, das Fahrzeug gesteuert zu haben. Der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz wurde nicht von der Polizei mit Kameras observiert.
Landsberg sagte, dass es mittels intelligenter Systeme zielgenau möglich sei, Verdächtige zu identifizieren sowie Straftaten zu verhindern und zu ahnden, ohne dass Komplettaufzeichnungen nötig seien. „Dem Schutz der Allgemeinheit ist Vorrang vor dem Schutz der informationellen Selbstbestimmungsfreiheit einzuräumen“, sagte Landsberg. Er sprach sich dafür aus, die Speicherfristen für Videoaufzeichnungen auszuweiten, um belastbares Material zur Verfolgung der Täter verwerten zu können. Die Löschfristen sollten mindestens zwei Monate betragen, forderte Landsberg. Zudem müsse die Videoüberwachung für jedermann erkennbar sein. Das könne Verbrechen vorbeugen.
Die gesetzlichen Regelungen des Bundes und der Länder ließen eine Ausweitung der Videoüberwachung nur eingeschränkt zu, kritisierte Landsberg. „Derzeit wird in Deutschland vieles, was möglich wäre, mit Hinweis auf den Datenschutz verhindert.“ Die strengen Datenschutzregelungen müssten dringend abgebaut werden.
Auch die Mehrheit der Deutschen wünscht sich verstärkte Videoüberwachung
Mit seiner Forderung entspricht Landsberg der Haltung vieler Deutscher. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Deutsche Presse-Agentur zufolge wollen 60 Prozent der Deutschen, dass die Videoüberwachung öffentlicher Räume verstärkt wird. Fast drei Viertel der Befragten forderten eine Aufstockung der Polizeikräfte. Der rot-rot-grüne Berliner Senat will die Videoüberwachung derzeit allerdings nicht ausweiten.
Die Bundesregierung hatte am Mittwoch ein Gesetzespaket zur inneren Sicherheit auf den Weg gebracht, das insbesondere an öffentlichen Orten wie Sportstätten und Einkaufszentren eine verstärkte Videoüberwachung erlauben soll. Die Regelungen beziehen sich dabei auf private Betreiber solcher Einrichtungen. Auch solche Überwachungssysteme, bei denen etwa Gesichter oder Kennzeichen automatisch erkannt werden, sollen nach den Plänen der Regierung ausgeweitet werden. Ferner soll die Bundespolizei sogenannte Bodycams verstärkt nutzen können.
Das Gesetzespaket ist allerdings keine direkte Reaktion auf den Anschlag in Berlin. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte die Neuerungen nach dem Amoklauf von München und dem Selbstmordattentat von Ansbach im Juli vorgestellt. Die parlamentarische Zustimmung steht noch aus.
Der mutmaßliche Attentäter war überwacht worden
De Maizière bestritt, dass die Sicherheitsbehörden beim Anschlag in Berlin versagt hätten. „Selbstverständlich werden wir den Fall aber bis ins Detail aufarbeiten und einen entsprechenden Bericht vorlegen“, sagte der Minister der Bild am Sonntag. Zudem forderte er den Berliner Senat auf, seine Haltung zur Videoüberwachung dringend zu überdenken.
Die Ermittlungen zum Anschlag laufen weiter auf Hochdruck. Die Beamten prüfen, ob der 24-jährige Amri ein Unterstützernetzwerk, Mitwisser oder Gehilfen hatte. In der tunesischen Stadt Kairouan haben Sicherheitskräfte drei Männer festgenommen, die mit dem mutmaßlichen Attentäter in Verbindung stehen sollen.
Anis Amri war den Sicherheitsbehörden seit Langem polizeibekannt. Er war als islamistischer Gefährder mit Kontakten zur Salafistenszene eingestuft und war monatelang überwacht worden.
Read more on Source