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Eine neue Bundesregierung – egal wie sie am Ende aussieht – wird sich kurz nach Amtsantritt sofort mit dem heiklen Thema der Bundeswehr-Mission in Afghanistan beschäftigen müssen. Nach SPIEGEL-Informationen fordert die Bundeswehrführung, die deutschen Einheiten für die Nato-Trainingsmission „Resolute Support“ um fast 50 Prozent aufzustocken – von bisher maximal 980 auf 1400 Soldaten. Der Grund: die gefährliche Lage am Hindukusch. (Diese Meldung stammt aus dem SPIEGEL. Den neuen SPIEGEL finden Sie hier.)
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Die Militärs brauchen die Soldaten für Schutzaufgaben. So musste nach dem Taliban-Anschlag auf ein Trainingszentrum in Masar-i-Scharif Ende April, bei dem rund 140 afghanische Rekruten getötet wurden, der Schutz der Ausbilder durch schwer bewaffnete „Force Protection“-Einheiten erhöht werden. Die Bundeswehr änderte entsprechend ihre Einsatzregeln. Konkret werden die Ausbilder nun von noch mehr Soldaten begleitet, sogenannten Guardian Angels (Schutzengel). Daher wird nach Ansicht der Militärs deutlich mehr Personal benötigt, als derzeit zur Verfügung steht.
Bei dem Anschlag waren nur deshalb keine Bundeswehrsoldaten zu Schaden gekommen, weil sie an jenem Tag nicht im Camp waren. Ein Selbstmordattentäter hatte sich zunächst den Weg ins Lager freigesprengt, anschließend schoss eine Gruppe von Angreifern im Lager um sich.
Die Bundeswehr rechnet für die nächsten Wochen zudem mit amerikanischen Forderung an die Nato, mehr afghanische Soldaten auszubilden. Das Pentagon will, dass die Ausbilder wieder stärker in die Provinzen gehen und dort die afghanischen Brigaden beraten.
Bisher beschränkt sich das Nato-Training für die Afghanen auf die Spitze der Korps der Afghan National Army (ANA), die Bundeswehr tut dies im relativ sicheren Masar-i-Sharif. Folgt die Truppe den US-Wünschen, müsste man auch wieder in die weniger stabilen Provinzen gehen.
Neue Mehrheiten machen Debatte schwieriger
Die Idee für die Truppenaufstockung war hinter verschlossenen Türen schon in der Großen Koalition umstritten. Das SPD-geführte Außenministerium lehnte kurz vor der Bundestagswahl ein Plus von rund 450 Soldaten kategorisch ab. Nun soll der neue Bundestag vorerst das alte Afghanistanmandat um drei Monate verlängern, über ein neues Mandat und die geforderte Aufstockung würde Ende März 2018 diskutiert.
Die politische Debatte über den Afghanistan-Einsatz dürfte nach Bildung einer neuen Regierung künftig anders verlaufen als bisher. In den vergangenen Jahren konnte sich die Koalition im Bundestag stets auf eine breite Mehrheit für die Einsatzmandate stützen. Sitzt die SPD nun tatsächlich in der Opposition, wird sie sich mit einer Ausweitung der Mission deutlich schwerer tun.
Eine Entscheidung der Regierungsfraktionen für ein erweitertes Mandat gegen die Oppositionsparteien SPD, Linke und AfD wäre ein Novum. Die Linken lehnen Auslandseinsätze der Bundeswehr kategorisch ab. Die AfD ist bei dem Thema unentschlossen, will Einsätze aber auf den Prüfstand stellen.
In der Nato dürften die Forderungen der Bundeswehr positiv aufgenommen werden. Nachdem die USA eine Truppenaufstockung von rund 3000 Mann für Afghanistan angekündigt hatten, stehen die europäischen Partner unter Druck, ihre Beiträge zumindest leicht anzuheben.
Was die Amerikaner mit ihren Truppen in Afghanistan vorhaben, ist noch weitgehend unklar. Allerdings werden nur rund 2000 von ihnen für die Nato-Trainingsmission abgestellt, der Rest nimmt an der US-Mission zur Terror-Bekämpfung teil und steht nicht unter Nato-Kommando.
US-Verteidigungsminister James Mattis war kürzlich in Afghanistan zu Besuch, der frühere General konnte sich dabei selbst ein Bild der drastischen Sicherheitslage machen: Kurz nachdem er den Flughafen von Kabul per Helikopter verlassen hatten, schlugen dort Dutzende Raketen ein. Die Hauptstadt gilt, so jedenfalls die offizielle Darstellung der Nato, im Gegensatz zum Rest des Lands noch als relativ sicher.
Zusammengefasst: Die Bundeswehrführung fordert eine Aufstockung ihrer Afghanistan-Einheiten. Bisher sieht das Mandat eine Obergrenze von 980 Soldaten vor, nach dem Willen der Militärs soll sie auf 1400 angehoben werden. Die Bundeswehr begründet dies mit der angespannten Sicherheitslage, für den Schutz von Ausbildern der afghanischen Armee würden zusätzliche Kräfte gebraucht. Zudem drängen die USA auf Verstärkung. Mit dem Thema muss sich die künftige Bundesregierung befassen, wie groß die politische Unterstützung für die Forderungen ausfällt, ist offen.
Dieses Thema stammt aus dem neuen SPIEGEL – ab Samstagmorgen erhältlich.
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