Ein Jahr nachdem Syriens First Lady Asma al-Assad ihre Brustkrebserkrankung bekanntgab, kann sie nun vermelden: „Die Reise ist zu Ende.“ Der Krebs sei früh erkannt und erfolgreich behandelt worden, heißt es aus dem Präsidentenpalast in Damaskus. Die 43-Jährige nahm das zum Anlass, eine Sondersendung ausstrahlen zu lassen – am Sonntagabend zur besten Sendezeit im Staatsfernsehen.
Die halbstündige Sendung zeigt Asma al-Assad mit blond gefärbtem Pixie-Cut und weißem Sommerkleid mit Spitzen. Sie sitzt entspannt in einem Terrassenstuhl, um sie herum ein prächtiger Garten. Hinter ihr steht auf einer Leinwand: „Die Reise eines Lebens.“
Asma al-Assad hat großes Glück gehabt. Ihre Krebserkrankung wurde frühzeitig erkannt und konnte offenbar erfolgreich behandelt werden. Dies liegt vor allem auch daran, dass sie die Frau des mächtigsten Mannes Syriens ist. Denn selbst die einfachste medizinische Behandlung ist in Syrien inzwischen ein enormes Privileg. Der Krieg hat die bereits bestehenden sozialen Ungleichheiten, die einer der Auslöser für die Massenproteste 2011 waren, massiv verschärft.
Medizinische Versorgung ist eine Frage des Geldes
Die Lebenserwartung in Syrien ist dramatisch gesunken. Schuld daran sind nicht nur die direkten Folgen des Krieges – Bomben, Schüsse, Chemiewaffen – sondern vor allem auch die indirekten:
- Alles ist teurer geworden, gleichzeitig sind viele Syrer im neunten Jahr der Gewalt verarmt.
- Dazu kommt, dass in den von der Opposition kontrollierten Gebieten die syrische Luftwaffe absichtlich die Krankenhäuser bombardiert.
- Viele Menschen sterben inzwischen auch an chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Niereninsuffizienz, weil sie die nötigen Medikamente nicht mehr bekommen oder sich nicht mehr behandeln lassen können.
Asma al-Assad wurde im Militärkrankenhaus von Damaskus behandelt, das eigentlich Angehörigen der Streitkräfte vorbehalten ist. Sie kann es sich leisten, weiterhin erstklassig behandelt zu werden, was vor allem eine Frage des Geldes ist. Denn: Die einheimische Pharmaindustrie, die vor dem Krieg 90 Prozent des Eigenbedarfs herstellte, liegt noch immer weitgehend in Trümmern. Medikamente müssen über den Libanon aus dem Ausland importiert werden – und das kostet, zumal viele westliche Firmen davor zurückschrecken, mit syrischen Partnern Handel zu betreiben, von denen viele auf Sanktionslisten stehen.
Syrer, die die beträchtlichen Mittel dafür haben, importieren Medikamente mittlerweile selbst im Koffer und bringen sie von Auslandsreisen für ihre Angehörigen mit oder beauftragen Kuriere. Oder sie lassen sich im Libanon behandeln, wie der Geheimdienstgeneral Jamal Hassan. Ob Asma al-Assad weiterhin Medikamente nehmen muss – wie nach manchen Brustkrebserkrankungen üblich – sagte sie nicht.
„Der Krebs ist ein Test“
Mit der Sondersendung wollte Asma al-Assad wohl zweierlei erreichen: Sie setzt sich schon länger für Krebsvorsorge ein, doch das geriet in der Sendung in den Hintergrund. Stattdessen nutzte Assad ihre Erkrankung für politische Durchhalteparolen.
„Der Krebs ist ein Test. Und unser Leben besteht aus einer Reihe von Tests“, sagte sie etwa. Wie ihre Familie mit der Diagnose umgegangen sei? „Es muss in einer Familie ein steter Dialog herrschen, nicht nur, wenn jemand etwas braucht. Das war bei uns auch der Fall, als der Krieg losging. Viele Kinder haben da Fragen gestellt, darunter auch meine“, sagte Assad. „Wir haben immer zugehört und alles diskutiert, egal wie schwierig und kompliziert die Themen waren.“
Dieses Gleichnis ist bezeichnend. Die Assads betrachten Syrien als ihr persönliches Eigentum. „Assads Syrien“ steht sogar landesweit auf Grenzposten gesprüht. Bürger, die auf ihre Rechte pochen, wirken da wie unmündige, quengelnde Kinder. Wer sich gegen die Assads wendet, verwirkt seine Bürgerrechte und oft auch seine Besitzansprüche – Ländereien, Häuser und Wohnungen werden konfisziert.
Von einem echten Dialog war in Syrien jedoch bisher wenig zu bemerken: Die anfangs friedlichen Massenproteste 2011 entwickelte sich auch deshalb rasch zum Bürgerkrieg, weil die Staatsmacht sofort auf grausame Repression setzte. Hinzu kam, dass Regionalmächte versuchten, den innersyrischen Konflikt für sich zu instrumentalisieren.
Trotzig und unversöhnlich
Während Asma al-Assad erzählt, erscheinen dazu auf der Leinwand hinter ihr Videoaufnahmen, die sie mit ihren mittlerweile teils erwachsenen Kindern im Krankenhaus zeigen. Ihre Söhne mussten bisher nicht den Pflichtwehrdienst antreten und an der Front ihr Leben riskieren.
Zu anschwellenden Orchesterklängen ist Asma al-Assad Arm in Arm mit ihrem Mann zu sehen, Baschar al-Assad. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Er steht kurz davor, Syrien vollständig zurückerobert zu haben – mit tatkräftiger Hilfe von Russland, Iran und der libanesischen Hisbollah-Miliz, die Teile des Landes inzwischen direkt kontrollieren.
Kurz vor Schluss des Videos wird Asma al-Assad vorsichtig gefragt: „Es gab auch negative Reaktionen auf Ihre Erkrankung. Manche haben gesagt, sie probiere nun ein wenig von der Medizin, die ihr Mann anderen serviere. Hat Sie das verletzt?“
Asma al-Assad antwortet darauf trotzig mit einer Aussage, die sie wohl auch auf sich und ihren Mann beziehen könnte: „Diejenigen, die ihr Land verraten und verkaufen und Waffen gegen ihre eigenen syrischen Mitbürger anwenden auf Befehl von Ausländern, und die alle möglichen Grausamkeiten an ihrem Volk verüben – glauben Sie, dass diese Menschen noch irgendeinen Funken Anstand haben?“
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