Die am Atomabkommen mit dem Iran beteiligten europäischen Staaten haben das von Teheran gestellte 60-Tage-Ultimatum zurückgewiesen. Jegliche Ultimaten würden abgelehnt, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens sowie der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Die drei Länder wollen prüfen, ob sich der Iran weiter an seine Vertragspflichten halte, und bekannten sich ihrerseits zu den eigenen Verpflichtungen, darunter die Aufhebung von Sanktionen.

Genau ein Jahr nach dem Ausstieg der USA aus der internationalen Vereinbarung hatte der iranische Präsident Hassan Ruhani einen Teilausstieg seines Landes bekannt gegeben. Demnach will der Iran seine Bestände an niedrig angereichertem Uran sowie an Schwerwasser erhöhen und sich damit nicht mehr an die bislang geltenden Beschränkungen halten – wenn die verbliebenen Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China und Russland das Atomabkommen nicht innerhalb der nächsten zwei Monaten umsetzen und insbesondere die Sanktionen im Öl- und Bankensektor aufgehoben werden. Sonst werde man weitere der eigenen Verpflichtungen aufkündigen. So solle dann etwa auch vermehrt hoch angereichertes Uran hergestellt werden.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief  zu einem geschlossenen Einsatz für den Erhalt des Atomabkommens auf. Der Atomdeal sei nicht ausreichend und sollte um Absprachen für die Zeit nach 2025 ergänzt werden, sagte er. Frankreich wolle aber dennoch an dem derzeitigen Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atomwaffe festhalten. Man dürfe nun nicht in die Eskalation abrutschen.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD) kündigte an, „wir werden alles tun diese Vereinbarung am Leben zu halten, aber der Atomdeal ist in einem ernsten, kritischen Zustand.“ Dass die USA vor einem Jahr schon mit verheerenden Konsequenzen ausgestiegen seien, mache die iranische Entscheidung nicht besser, so Annen im ARD-Mittagsmagazin. Man wolle aber abwarten und erst einmal „genau sehen, was Iran nach der Rede des Präsidenten Rouhani nun tatsächlich in der Praxis  macht“. Entscheidend sei hier die Bewertung der Atomenergiebehörde.

Der konservative Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber, sprach sich für neue Verhandlungen der EU mit dem Iran aus, um das Abkommen zu retten. „Die Europäische Union muss immer eine Union der Diplomatie sein“, sagte der CSU-Politiker. „Ich glaube, die Europäische Union muss wieder Gespräche mit unseren iranischen Freunden starten, weil wir keine Eskalation irgendeiner Art wollen.“ 

„Die letzte Chance für eine diplomatische Lösung“

Medienberichten zufolge ist die Frist bis zum 8. Juli für Vizeaußenminister Seyed Abbas Araghchi die letzte Chance zur Rettung des Abkommens. „Wir wollen die Umsetzung des Atomdeals, nicht ein Wort mehr, nicht ein Wort weniger“, sagte Araghchi. „Die nächsten 60 Tage sind daher die letzte Chance für eine diplomatische Lösung.“ Der Iran sei aus dem Deal zwar noch nicht ganz ausgestiegen, aber auch ein kompletter Ausstieg stehe auf der Agenda, sagte Araghchi, der zu den Architekten des Wiener Atomabkommens gehört. „Diese zweimonatige Frist wird definitiv nicht verlängert.“

Mit dem Atomabkommen vom Juli 2015 soll verhindert werden, dass der Iran Atomwaffen entwickelt. Im Gegenzug sollten die Vertragspartner, vor allem die USA, ihre gegen den Iran gerichteten Sanktionen abbauen und den Handel normalisieren. US-Präsident Donald Trump hatte die von den Vereinten Nationen übernommene Vereinbarung jedoch am 8. Mai 2018 einseitig aufgekündigt und Sanktionen wieder verhängt oder verschärft. 

Nach Angaben Araghchis wäre der Iran in den nächsten zwei Monaten bereit zu diplomatischen Verhandlungen auf allen möglichen Ebenen. Würden die legitimen iranischen Forderungen bis dahin nicht erfüllt, werde der Iran die Urananreicherung wieder unbegrenzt aufnehmen und auch den Umbau des Schwerwasserreaktors Arak allein vollenden.

Aus Sicht von Ruhani und Araghchi sind das Aussetzen von Teilen des Abkommens und die technischen Maßnahmen in der begonnenen ersten Phase sowohl legitim als auch im legalen Rahmen. Aber letztlich müsste die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien darüber befinden. Die unbegrenzte Urananreicherung in der zweiten Phase wäre nach Meinung von Beobachtern für die IAEA sicherlich inakzeptabel und würde das Ende des Atomabkommens bedeuten. 

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