Bisher ist das Ebola-Medikament Remdesivir nirgendwo zugelassen. Dennoch wird es nun in den USA gegen Corona eingesetzt – mit positiver, aber begrenzter Wirkung. Auch hierzulande können Patienten das Mittel erhalten. Ist der Einsatz vertretbar?
Remdesivir heißt der derzeitige Hoffnungsträger bei der Suche nach einem wirkungsvollen Mittel zur Behandlung schwerer Coronavirus-Infektionen. Die USA haben am Wochenende eine Ausnahmegenehmigung für den begrenzten Einsatz des Wirkstoffes in Krankenhäusern erteilt. Eine klinische Studie hatte zuvor gezeigt, dass er bei Covid-19-Patienten die Zeit bis zu einer Genesung um mehrere Tage verkürzen kann. Auch in Deutschland ist das Mittel innerhalb eines Arzneimittel-Härtefallprogrammes zugänglich und wird in klinischen Studien getestet.PAID STERN 2020_18 „Corona – News: Ist auch das Herz gefährdet“, 21.55
Remdesivir wurde ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt und ist bislang in keinem Land der Welt als Medikament zugelassen. Auch die Ausnahmegenehmigung für die USA entspricht keiner formellen Zulassung, was ein wesentlich aufwendigerer Prozess ist. Selbst die Ausstellung einer begrenzten Ausnahmegenehmigung ist ungewöhnlich, da sie maßgeblich auf den Ergebnissen einer einzigen klinischen Studie beruht. Bislang gibt es jedoch keine Impfung gegen das neuartige Coronavirus und auch keine zuverlässige zugelassene medikamentöse Therapie. Das ändert auch der Einsatz von Remdesivir nicht.
Corona-Behandlung: „Signifikant positive Wirkung“
Die US-Studie mit mehr als 1000 Teilnehmern ist nach Angaben des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten der USA (NIAID) mit Kontrollgruppen durchgeführt worden, die Datenerhebung hätten unabhängige Experten begleitet. Patienten mit der vom Coronavirus verursachten Lungenkrankheit Covid-19 waren demnach nach durchschnittlich 11 Tagen wieder genesen, die Patienten der Kontrollgruppe hingegen erst nach 15 Tagen, wie die NIAID vergangene Woche berichtet hattee. Die Ergebnisse sind im Rahmen einer Zwischenbegutachtung vorgestellt worden.
NIAID-Institutsleiter Anthony Fauci sprach von einer „signifikanten positiven Wirkung bei der Verringerung der Zeit bis zur Genesung“. Die Resultate müssten noch unabhängig geprüft und veröffentlicht werden. Den ersten Ergebnissen zufolge führte das Medikament nur zu einer geringfügig niedrigeren Sterblichkeitsrate.
Medizin-Ethiker: Schnelle US-Entscheidung vertretbar
Als „extrem ungewöhnlich“ beurteilt Gerd Fätkenheuer die rasche Entscheidung der US-Zulassungsbehörde für eine Ausnahmegenehmigung. Der Mediziner von der Uniklinik Köln hat den deutschen Teil der Studie geleitet. Aus drei Studienzentren wurden Daten von 13 Patienten zugeliefert. Die Daten der jetzt vorliegenden Zwischenbegutachtung zeigten eine erste Wirkung von Remdesivir, aber wichtige Fragen seien noch offen. So fehlten Angaben zu Nebenwirkungen, und es sei nicht klar, welche Patienten am ehesten von einer Behandlung profitieren. Auch der Einfluss auf die Sterblichkeit sei noch nicht sicher zu beurteilen.
Nach Ansicht des deutschen Medizin-Ethikers Peter Dabrock ist die ungewöhnlich schnelle Entscheidung vertretbar. Allerdings müssten wichtige Bedingungen erfüllt sein. So dürften die vorliegenden Daten keine Hinweise darauf geben, dass die Anwendung ohne Nutzen ist, und sie müssten zeigen, dass die Nebenwirkungen akzeptabel sind. Zudem müssten die Patienten oder ihre gesetzlichen Vertreter in die Behandlung einwilligen. „Wenn das gegeben ist, scheint mir die Zulassung in einer weltgesellschaftlichen Notsituation wie dieser verantwortbar zu sein“, sagte der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates.02: CoronaWirkstoff Remdesivir USA erlauben begrenzten Einsatz – c851f73e0ca22a1c
Remdesivir: Auch in Deutschland einsetzbar
In Deutschland hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Anfang April ein sogenanntes Arzneimittelhärtefallprogramm für Remdesivir bestätigt. Damit dürfen auch hierzulande behandelnde Ärzte ihren Patienten den Wirkstoff verabreichen. Zudem hat das BfArM nach eigenen Angaben derzeit insgesamt vier klinische Prüfungen mit Remdesivir zur Behandlung von Covid-19 genehmigt.
In der EU ist am 30. April die Bearbeitung eines besonderen Zulassungsverfahren für Remdesivir gestartet. Bei dieser sogenannten rolling submission reicht der Antragsteller Daten aus Studien und Laboruntersuchungen nach und nach ein. Sie werden dann von der Europäischen Arzneimittelbehörde, genauer von dem für Humanarzneimittel zuständigen Gremium CHMP, bewertet. Wenn die Daten komplett sind, kann der Antragsteller einen Zulassungsantrag einreichen. So soll das Zulassungsverfahren beschleunigt werden.Ebolaärztin
Nutzen-Risiko-Verhältnis noch ungeklärt
Die Entscheidung für ein solches Verfahren begründet die CHMP auch mit den positiven Daten der Studie, die Grundlage für die US-Ausnahmegenehmigung ist. Es sei aber noch zu früh, das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Remdesivir zu beurteilen. Es würden weitere klinische Daten begutachtet, unter anderem die einer kürzlich im Fachmagazin „The Lancet“ vorgestellten chinesischen Studie. Sie kam zu dem Schluss, dass sich der Zustand der Patienten mit Remdesivir nicht wesentlich verbessert. Aus Patientenmangel wurde diese Studie allerdings frühzeitig abgebrochen. Zudem waren die meisten dieser Patienten erst spät im Krankheitsverlauf mit Remdesivir behandelt worden.
Hergestellt wird Remdesivir vom Biotech-Unternehmen Gilead. Dessen Sprecher, Daniel O’Day, hatte am Freitag erklärt, das Unternehmen werde US-Behörden 1,5 Millionen Dosen Remdesivir spenden, die für mehr als 100.000 Behandlungen ausreichen sollten. Die US-Regierung werde die Verteilung des Medikaments übernehmen, um sicherzustellen, dass es ankomme, wo es am dringendsten gebraucht werde. Bis Dezember wolle man genügend Remdesivir für eine Million Behandlungen produzieren.
Merkel: Internationale Suche nach Corona-Medikament
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Samstag in ihrer wöchentlichen Videoansprache (Podcast) zu einer internationalen Zusammenarbeit bei der Suche nach Medikamenten und Impfstoffen für die Eindämmung der Pandemie aufgerufen. Mit Blick auf die Geberkonferenz an diesem Montag (4. Mai), zu der die EU-Kommission eingeladen hat, kündigte sie an, dass Deutschland sich mit einem „deutlichen finanziellen Beitrag“ beteiligen werde. Einen genauen Betrag wollte sie noch nicht nennen.
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