Der linksautonome „Tag X“ wird Leipzig noch lange beschäftigen. Die Polizei verteidigt ihr robustes Vorgehen, doch die Aufarbeitung hat gerade erst begonnen.
Die Polizei weist die Kritik an ihrem Einsatz rund um den linksautonomen „Tag X“ in Leipzig zurück. „Die Lage-Einschätzung war einfach die, dass es Androhungen gab, mehrere Millionen Euro Sachschaden zu verursachen. Das lässt sich einfach nicht mit klassischen Mitteln der Deeskalation verhindern“, sagte Leipzigs Polizeipräsident René Demmler in einem Interview der „Leipziger Volkszeitung“.
Auch der Bundeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, verteidigte das Vorgehen. In Situationen wie am Wochenende in Leipzig sei ein robustes Vorgehen nötig, sagte er SWR Aktuell.
Im Zusammenhang mit den Krawallen kamen zehn Männer in Untersuchungshaft. Die Auswertung des Einsatzes wird nach Angaben der Polizei allerdings noch mehrere Tage dauern. Erst Ende der Woche könne gesagt werden, wie viele Ermittlungsverfahren insgesamt eingeleitet wurden.
Ausschreitungen am Wochenende
Am Mittwoch, Freitag und Samstag hatte es in Leipzig Ausschreitungen gegeben. Polizisten wurden mit Steinen und Böllern angegriffen, zahlreiche Barrikaden wurden angezündet. Zehn Männer im Alter von 20 bis 36 Jahren wurden in Untersuchungshaft genommen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Ihnen werden schwerer Landfriedensbruch, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie teilweise versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Zwei weitere Haftbefehle wurden gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Anlass war der lange zuvor angekündigte „Tag X“ – der Samstag nach dem Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. Die Studentin und drei Mittäter waren vorige Woche wegen Überfällen auf angebliche oder tatsächliche Neonazis zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. In linksradikalen Kreisen war bundesweit für den „Tag X“ mobilisiert worden.
Die Stadt Leipzig als Versammlungsbehörde hatte mit einem Verbot der „Tag X“-Demonstration reagiert. Am Samstag wurde eine andere, zunächst zugelassene Versammlung beendet. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren viele schwarz vermummt. Sie ignorierten Aufforderungen der Polizei, die Vermummung abzulegen. Die Situation eskalierte. Die Polizei setzte rund 1000 Menschen stundenlang in einem Kessel fest.
Kritik an Polizeikessel
Insbesondere an diesem Polizeikessel entzündet sich die Kritik. Die Linksfraktion im sächsischen Landtag hat eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. Voraussichtlich werde der Ausschuss am kommenden Montag zusammenkommen, sagte Fraktionssprecher Kevin Reißig auf Anfrage. Die Linken-Innenpolitikerin Kerstin Köditz hatte kritisiert, dass die „Herstellung menschenunwürdiger Bedingungen“ weder verhältnismäßig noch ein Beitrag zur Deeskalation sei.
Polizeipräsident Demmler sagte auf die Frage, warum Menschen bis zu elf Stunden aushalten mussten, die Polizei habe unterschätzt, wie viele Leute sich tatsächlich an dem Ort aufgehalten hatten. „Wir mussten die Identität feststellen, dann schauen, wer schon mal auffällig war. Anschließend wurden die Leute teilweise in die Gefangenensammelstelle gebracht. Minderjährige wurden mit Priorität behandelt.“
Demmler: „Was wäre die Alternative gewesen?“
Demmler wies zudem den Vorwurf zurück, mit der Entscheidung, die Demo nicht laufen zu lassen, zusätzlichen Druck und Frust erzeugt zu haben. „Was wäre denn die Alternative gewesen? Die hätten uns alles zerscherbelt, und wir hätten noch massiver handeln müssen. Das wieder einzufangen, wäre unfassbar schwierig gewesen“, sagte er.
Für den Montagabend war auf demselben Platz erneut eine Demonstration angemeldet worden. Unter dem Motto „Grundrechte gelten auch in Leipzig“ sollte gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit rund um den „Tag X“ protestiert werden.
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