Bei einer historischen Abstimmung haben sich die Australier gegen mehr Rechte für Ureinwohner ausgesprochen. Die „Nein“-Kampagne bediente sich dabei ähnlicher Taktiken wie Rechtspopulisten in den USA und Europa.Australier sehen sich gerne als die Guten. Sie sind freundlich, regelkonform und haben stets ein sonniges Gemüt. Das Problem: Ein nicht unerheblicher Teil dieser Australier ist auch rassistisch. Den Beleg dafür haben sie an diesem Wochenende geliefert.Mit deutlicher Mehrheit haben die Australier das Referendum („The Voice“) abgelehnt. Bei der historischen Abstimmung ging es darum, ob die australischen Ureinwohner (Aboriginal und Torres Strait Islander Peoples) per Verfassungsänderung mehr politisches Mitspracherecht bekommen sollten. Bis zu 60 Prozent der Australier sagten Nein. Dabei hatten Erhebungen zu Jahresbeginn noch deutlich mehr Zustimmung für das Vorhaben gezeigt.Wie konnte am Ende Rassismus über die Hoffnung für ein besseres Leben der benachteiligten drei Prozent siegen?Die Antwort auf diese Frage, die Hintergründe haben auch mit Deutschland und Europa zu tun. Denn die „Nein“-Seite hat bei ihrer Kampagne aus ähnlichen Quellen geschöpft, aus denen sich die Rechtspopulisten im Zuge des Brexits in Großbritannien oder derzeit auch in der Bundesrepublik bedienen. Das „Voice“-Referendum ist somit das x-te Lehrstück dafür, wie man unsichere Wähler bei wichtigen politischen Entscheidungen manipulieren kann.Diese Strategie nutzen auch deutsche PolitikerÄhnlich etwa wie CDU-Chef Friedrich Merz, der gegenwärtig das Thema Migration nutzt, um rechte Parteien wie die AfD mit populistischen Parolen noch rechts zu überholen, erkannte auch der australische Oppositionsführer Peter Dutton das Potenzial des „Voice“-Referendums. Er will seiner Partei nach der Wahlschlappe im vergangenen Jahr neuen Aufwind geben und der Labor-Regierung den Glanz nehmen.Dutton bezeichnete das Vorhaben von Premierminister Anthony Albanese, ein Referendum zu halten, als „gefährlich“. Er behauptete, dass eine Verfassungsänderung den Ureinwohnern „Sonderrechte“ vor anderen Australiern einräumen würde. Was der Oppositionschef nie erwähnte: Dass die australische Verfassung schon seit 1901 rassistische Unterscheidungen macht – zum Nachteil der indigenen Bevölkerungsgruppen.Der „Guardian“ sah das Vorgehen von Dutton etwa als „direkt aus dem Lehrbuch Donald Trumps entnommen“ an. Und tatsächlich ergaben Recherchen, dass die „Nein“-Kampagne von Beratern der neurechten Szene umgesetzt wurde, die unter anderem Verbindungen zu Donald Trump Jr. unterhalten.Auch christlich-evangelikale Organisationen in den USA waren offenbar in die Kampagne verwickelt. Die Strategie ist einfach: Fakten verdrehen, Angst schüren und Ignoranz verstärken. Mit diesen Methoden lassen sich jegliche Ungerechtigkeiten immer wieder erfolgreich verklären. „If you don’t know, vote No“Fehlinformationen, Verschwörungstheorien und rassistischer Unsinn verbreiten sich am besten über die Kanäle der sozialen Medien. Auch in Australien ist das Rauschen in den vergangenen Monaten erheblich angewachsen. Slogans wie „If you don’t know, vote No“ („Wenn du keine Ahnung hast, stimme mit Nein“) oder „Vote No to the voice of Division“ („Sag‘ Nein zur Stimme der Spaltung“) sind ebenso schlicht wie effektiv.Wie in den USA dockten auch hier die Narrative an die Ängste des weißen Mannes an, seine patriarchale Vormachtstellung zu verlieren. Eine Erzählung, die seit Jahren von Rechtsextremen genutzt wird, um gegen die Gleichberechtigung von Minderheiten zu trommeln. Den Australiern wurde eingeredet, dass sie ihre Privilegien verlieren könnten, wenn sie einer kleinen Minderheit im Land ein wenig mehr Rechte einräumen würden. Es wurde von Landverlusten, höheren Steuern und Rassismus gegenüber Weißen gesprochen.Die Fakten gehen in der Desinformationsflut unter: Rassistische Angriffe auf Indigene haben während der vergangenen Monate deutlich zugenommen. Ureinwohner haben eine geringere Lebenserwartung und leiden häufiger unter Gewalt, Alkohol- und Drogensucht. Sie landen öfter in Polizeigewahrsam und sind schlechter ausgebildet als andere Australier. Sind Angst und Ignoranz erfolgreicher als Hoffnung und Demut?Letztendlich offenbart das Referendum vor allem eines: Die „Nein“-Kampagne mag als Katalysator gedient haben. Der wahre Grund für die Ablehnung liegt jedoch im tief verwurzelten Fremdenhass der Australier, der auch in Deutschland und Europa anzutreffen ist. Auch in Deutschland propagiert man gerne die multikulturelle Gesellschaft, verschärft aber in Wirklichkeit und wenn es darauf ankommt, die Grenzkontrollen, will die Migration deckeln und das universelle Grundrecht auf Asyl beschneiden. Warum lernen die linken politischen Parteien nicht aus ihren Kampagnenfehlern? In Australien konnte man es nun wieder beobachten: Die „Ja“-Seite hatte keine simple Botschaft, keine klare Galionsfigur. Sie war zu breit angelegt und hatte einen unterschwelligen „Wir sollten keine Erklärungen abgeben müssen“-Ton. Regierungschef Albanese hielt sich im Hintergrund. Ihm hätte jedoch klar sein müssen, dass dieses Referendum ein brutaler politischer Wettbewerb werden würde. Nun trifft das Ergebnis ihn und die gesamte Nation wie ein außer Kontrolle geratener Bumerang.Wenn Parteien nicht in der Lage sind, ihre Kommunikationsstrategien den Erfordernissen der Gegenwart anzupassen, wenn sie medienpolitisch versagen, dann ist das eine enorme Gefahr für das Funktionieren der Demokratie insgesamt. Auch in Australien wurde eine große Chance verspielt. Angst und Ignoranz im Umgang mit den ersten Bewohnern bleibt somit weiterhin erfolgreicher als Hoffnung und Demut.
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