Angesichts der Verhaftungen von Journalisten und Oppositionsabgeordneten in der Türkei wachsen die Spannungen zwischen Berlin und Ankara. Das Auswärtige Amt wies ausdrücklich darauf hin, dass politisch Verfolgte in Deutschland Asyl beantragen könnten.
«Alle kritischen Geister in der Türkei sollen wissen, dass die Bundesregierung ihnen solidarisch beisteht», sagte Staatsminister Michael Roth der Zeitung «Die Welt».
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von «alarmierenden Signalen» aus der Türkei. Sie sagte in Berlin: «Wir arbeiten politisch erst einmal darauf hin, dass in der Türkei eine Situation entsteht, die nicht es notwendig macht, dass Menschen um Asyl nachsuchen müssen.» Wenn Asylgründe vorlägen, werde darüber in rechtsstaatlichen Verfahren entschieden.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu attestierte der Bundesrepublik «Türkeifeindlichkeit». Er kritisierte zugleich, Deutschland sei das Land, das «Terroristen» aus der Türkei am stärksten unterstütze. Cavusoglu erwähnte dabei Anhänger des im US-Exil lebenden türkischen Predigers Fethullah Gülen und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. «Dass alle Terroristen Deutschland bevorzugen, ist kein Zufall.»
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wies die erneuten Vorwürfe der Terror-Unterstützung aus der Türkei zurück. «Ich glaube, auch in Ankara weiß man, dass das Gegenteil richtig ist», sagte er in Berlin. «Die PKK und andere extremistische Parteien aus der Türkei sind bei uns als terroristische Vereinigungen verboten.» Er betonte: «Die Wiederholung macht den Vorwurf nicht richtig.»
Roth sagte: «Was derzeit in der Türkei geschieht, hat mit unserem Verständnis von europäischen Werten, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Medienfreiheit nichts zu tun.» Über Asyl entschieden die Behörden. «Aber: Deutschland ist ein weltoffenes Land und steht allen politisch Verfolgten im Grundsatz offen. Sie können in Deutschland Asyl beantragen. Das gilt dezidiert nicht nur für Journalisten.»
Die PKK steht in der Türkei, der EU und den USA auf der Liste der Terrororganisationen. Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken forderte, das PKK-Verbot in der EU aufzuheben. Dafür gebe es keinen objektiven Grund mehr, «außer man stellt sich politisch an die Seite der türkischen Regierung», sagte er im Deutschlandfunk.
Trotz ihrer Sorge über die Entwicklungen wollen die EU-Staaten an den Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei vorerst festhalten. Man sei bereit, den Dialog «auf allen Ebenen und innerhalb des bestehenden Rahmens» fortzuführen, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme zu den Ereignissen der vergangenen Tage, die von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini veröffentlich wurde. Die Situation werde aber weiter sehr aufmerksam verfolgt werden.
Staatsminister Roth sagte, der an diesem Mittwoch erwartete EU-Fortschrittsbericht über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei werde negativ ausfallen. «Die EU-Kommission wird sehr nüchtern, sehr klar und sehr kritisch bilanzieren, was in der Türkei schlecht – oder gar nicht – läuft. Das ist leider sehr viel.» Er sprach sich dennoch gegen einen Abbruch der Verhandlungen aus. «Ein solcher Schritt würde doch gerade die westlich orientierten Türken allein lassen.»
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, man erwarte einen Fortschrittsbericht, «der frei von Vorurteilen ist». Er fügte hinzu: «Wir hoffen, dass dieser Bericht keiner wird, der die bisherigen unglückseligen Erklärungen berücksichtigt.»
Der Vorsitzende der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, ließ über seinen Anwalt aus der Untersuchungshaft mitteilen, die Verhaftungen kämen einem «zivilen Staatsstreich» gleich. Er und die neun anderen HDP-Abgeordneten in Untersuchungshaft seien «als Geiseln genommen worden». Das sei Angriff «auf alle demokratischen Kräfte». Seine Partei wünsche sich eine entschiedenere Haltung Europas gegen die «unrechtmäßigen Akte der Unterdrückung».
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