Von Markus Lachmann

ZEREMONIELL Großes militärisches Ehrengeleit für verstorbenen Altkanzler / Ein würdiger Rahmen auf dem Domplatz

SPEYER – Um 19.40 Uhr wird es ganz still auf dem großen Platz. Drei Minuten Stille, dann ertönt die Kaiserglocke des Speyrer Doms. Zwei Kranzträger verlassen das Hauptportal. Dann kommt er, der Sarg mit dem Altkanzler, getragen von acht Offizieren von Heer, Luftwaffe und Marine. Sie werden begleitet von Generälen und Admirälen, der Totenwache.

Feierliche Atmosphäre, das Musikkorps der Bundeswehr spielt das Oratorium „Saul“, einen Trauermarsch von Georg Friedrich Händel. Verhangener Himmel, Nieselregen. Wurde auf einen deutschen Staatsakt für Helmut Kohl verzichtet, so gibt dieses große militärische Ehrengeleit dem Trauerakt dann doch einen würdigen, staatlichen Rahmen.

Langsam tragen die Offiziere den wuchtigen Eichensarg, der von einer Deutschlandflagge bedeckt ist, in die rechte Mitte des Platzes, sie stellen ihn dort auf einem Podest ab. Aus dem Dom, diesem imposanten romanischen Bauwerk aus gelbem und rotem Sandstein, folgt als erstes die Witwe, Maike Kohl-Richter. Eng an ihrer Seite Kai Diekmann, früherer Chefredakteur der „Bild“, ein Freund des Hauses.

Das Musikkorps spielt „Jesu meine Zuversicht“ und danach die Nationalhymne. Einige Trauergäste singen die Hymne mit. Rechts von Kohl-Richter steht der frühere US-Präsident Bill Clinton. Er nimmt den Schirm herunter, trotzt dem Regen.

Weniger beim Public Viewing als erwartet

Rings um den abgeriegelten Domplatz versuchen Schaulustige, einen Blick auf die Szene zu erhaschen. Viele haben über Stunden ausgeharrt. Allerdings sind die Zuschauerzahlen im Public Viewing im südlichen Domgarten eher enttäuschend. 3 500 Plätze wären vorhanden gewesen, gekommen sind nicht einmal die Hälfte. Es scheint, als wären mehr Polizisten und Personenschützer als Passanten in der pfälzischen Stadt. An der Schiffsanlegestelle in Speyer, dort war das Schiff „MS Mainz“ mit dem Leichnam gegen Nachmittag angekommen, hatten sich einige hundert Schaulustige versammelt. In einem Biergarten unweit der Stelle hingegen interessierte sich kaum ein Gast für das Trauergeleit.

„Augen gerade aus – das Gewehr über – Gewehr ab!“, ruft der Kommandeur. Ein lautes Klacken hallt über den Platz, als die Gewehre abgestellt werden. Wieder spielt das Musikkorps, wieder ist es „Saul“, dieser traurige Marsch, der irgendwie auch Hoffnung macht. Die Träger schreiten mit dem Sarg jetzt an der Ehrenformation der Bundeswehr entlang, die seit einer halben Stunde ausharrt. Es ist nach acht Uhr, als der Sarg in den Leichenwagen gehievt wird. Maike Kohl-Richter, mit Sonnenbrille, verfolgt die Szene. Angela Merkel streckt kurz ihren Kopf aus der Reihe der Trauergäste hervor, um besser zu sehen. Das Musikkorps spielt das „Lied vom guten Kameraden“, es geht um einen Soldaten, der seinen Kameraden an der Front verliert, 1809 gedichtet von Ludwig Uhland.

Dann ist es so still wie am Anfang, man hört nur das Schnurren des Dieselmotors. Der Wagen bringt den Altkanzler zum einen Kilometer entfernten Friedhof des Domkapitels im Adenauerpark, direkt neben der Friedenskirche St. Bernhard. Dort wird er im engsten Kreis beigesetzt. So wollte es Helmut Kohl.

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