Deutschland steht unter Schock: So gut wie niemand hat mit dem Sieg von Donald Trump gerechnet. Dass ein schlecht frisierter Milliardär, der politisch genauso ahnungs- wie skrupellos ist, ins Weiße Haus einzieht, wirkt auch jetzt noch seltsam surreal. Aber das politische Erdbeben, das jenseits des Atlantiks ausgelöst wurde, kann auch uns treffen. Niemand soll glauben, Deutschland könne davon auf die Dauer verschont bleiben.

Weltweit ist der rechte Populismus auf dem Vormarsch. Bei unseren französischen Nachbarn wird Marine Le Pen vom „Front National“ vielleicht nächstes Jahr zur Präsidentin gewählt. Hierzulande eilt die AfD, erst vor gut dreieinhalb Jahren gegründet, von Wahlsieg zu Wahlsieg.

Wir hier unten – ihr da oben

Das Thema, das die rechten Scharfmacher immer neu variieren, lautet: Wir hier unten – ihr da oben. Ihr versteht uns nicht, ihr wollt uns nicht vertreten, ihr wollt uns allenfalls belehren. Oder sogar manipulieren. Für dieses Grundgefühl braucht es keine „Flüchtlingskrise“, sie dient nur als – wenn auch sehr gut geeignetes – Vehikel für die lärmenden Kampagnen gegen das „Establishment“, gegen ein als bedrückend und bevormundend empfundenes Kartell aus Parteien, Verbänden, Medien.

So viel Selbstkritik muss sein: Der Siegeszug des Donald Trump wurde auch hierzulande und auch von Journalisten, mit einer merkwürdigen Mischung aus Hochmut, volkspädagogischem Eifer und Parteinahme begleitet.

Die Wähler wieder ernst nehmen

Selbst jetzt noch wird die immerhin einwandfrei demokratisch und mit großer Mehrheit des amerikanischen Volkes getroffene Wahlentscheidung vielerorts mit einer Arroganz kommentiert, als handle es sich nicht um ein Votum selbstbewusster und erwachsener Staatsbürger. Sondern um die Fehlleistung ungezogener Kinder, die mit einem Klaps auf den Popo (oder den Hinterkopf) schon wieder zu jener Vernunft zurückgebracht werden können, in deren alleinigem Besitz sich die Meinungsmacher in den Redaktionsetagen wähnen.

Ein Unterton von pampiger Beleidigtheit liegt auch in den Äußerungen deutscher Politiker. Sie nehmen es dem Volk in den USA offenbar übel, dass es sich nicht so verhalten hat, wie man sich als Volk zu verhalten hat – nämlich Hillary Clinton ins Weiße Haus zu wählen.

Wer den weltweiten Siegeszug der Trumps stoppen will, kann nichts Falscheres tun. Denn die rechten Agitatoren leben davon, dass sie im Publikum das Gefühl des Zurückgesetzt-Seins und mangelnden Respekts hervorkitzeln. Politiker und Journalisten sollten den Populisten da, wo Meinung gefragt ist, mit ruhiger Entschiedenheit entgegentreten. Aber sie sollten ihnen nicht auch noch genau jene Argumente liefern, die sie für ihre perfiden Kampagnen brauchen.

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