Alle wollen was fürs Klima tun. Doch vielen geht es zu langsam. Eine Volksinitiative will Berlin zu schnellerem Handeln antreiben. Dafür gibt es vor dem Brandenburger Tor prominente Unterstützung.
Für eine konsequentere Bekämpfung der Klimakatastrophe haben am Samstag in Berlin zahlreiche Menschen den Volksentscheid „Berlin 2030 Klimaneutral“ unterstützt. Für die Kundgebung mit verschiedenen Konzerteinlagen hatten die Organisatoren bis zum Abend rund 35.000 Menschen erwartet.
Es blieben bei immer wieder einsetzenden Regenschauern deutlich weniger. Die Veranstalter gaben die Zahl mit 7000 bis 8000 im Lauf der Kundgebung an. Die Polizei sprach von maximal 1200 Menschen.
Das Bündnis will mit dem Volksentscheid an diesem Sonntag erreichen, dass Berlin 15 Jahre früher als geplant – bis 2030 – klimaneutral wird. Dafür soll das Energiewendegesetz des Landes geändert werden. Notwendig ist dazu eine Mehrheit von Ja-Stimmen, mindestens aber 25 Prozent der Wahlberechtigten. Das sind rund 608.000 Ja-Stimmen. Die Umsetzbarkeit der Forderungen ist auf politischer Ebene umstritten.
Scholz wendet sich gegen Ziele des Bündnisses
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die Ziele skeptisch. „Ich bin fest davon überzeugt, dass das, was die Bundesregierung sich vorgenommen hat, genau der richtige Weg ist, nämlich dafür zu sorgen, dass wir unser Land technologisch modernisieren“, sagte Scholz in Potsdam. „Da helfen fiktive Daten, die man nicht einhalten kann, nichts.“
Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer („Fridays For Future“) betonte die Bedeutung des Volksentscheids. „Diese Abstimmung ist einzigartig, und Berlin könnte die Stadt werden, in der richtig losgelegt wird“, sagte sie der dpa am Rand der Kundgebung. „Hier sieht man, wie es aussieht, wenn Menschen die Sache selbst in die Hand nehmen und aus dieser gefährlichen Spirale herausbrechen, in der in jede Legislaturperiode neue Ausreden dafür gefunden werden, warum man doch jetzt keinen Klimaschutz machen kann.“
Neubauer wies Einwände zurück, wonach die Maßnahmen zu teuer sein sollen. „Die Kostenfrage ist eine hohle Debatte, wenn man dem nicht entgegenstellt, wie teuer die Klimakrise ist und was die Klimakatastrophe kostet.“ Das stehe einfach in keinem Verhältnis.
Musik von nahmhaften Künstlern
Den musikalischen Teil des fünfstündigen Programms gestalteten etwa die Band Il Civetto oder Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten mit Künstlerin Danielle de Picciotto. Für Auftritte dabei waren auch die Band Element of Crime um Musiker und Schriftsteller Sven Regener („2045 ist zu spät!“) und Musikerin Annett Louisan. Viel Jubel und Applaus auch in strömendem Regen gab es für die Alternative-Rock-Band Beatsteaks. Pianist Igor Levit spielte zum Abschluss eine Version von Ludwig van Beethovens „Ode an die Freude“.
Redebeiträge kamen etwa von Neubauer und der Nachhaltigkeitsexpertin Maja Göpel. Von der Bühne appellierten die beteiligten Aktivistinnen und Aktivisten sowie unterstützende Organisationen immer wieder an die Menschen, sich am Sonntag an der Abstimmung zu beteiligen und dabei mit „Ja“ zu stimmen. „Egal wie das Ergebnis ausfällt, wir machen weiter bis wir unser Ziel erreicht haben!“, hieß es. „Don’t be a fossil fool“, „Tomorrow it’s to late“, „Kleben am Leben“ oder „Max 1,5 Grad“ war auf Plakaten und T-Shirts zu lesen.
Auch Herbert Grönemeyer äußerte zuvor Verständnis für Protestaktionen vor allem junger Menschen gegen den Klimawandel. „Wir brauchen diese Jugend, die uns wirklich den Marsch bläst, im wahrsten Sinne des Wortes“, sagte er der dpa in Berlin. „Da können wir dankbar sein.“
Grönemeyer sieht die Notwendigkeit für schnelles Handeln. „Es geht darum, dass uns die Zeit wegläuft. Ich weiß selber, wie lange es braucht, bis die Gehirne in ihrer Trägheit – auch mein eigenes – angefeuert werden müssen, um sich endlich einem Thema zu verschreiben.“
Der Musiker versteht Reaktionen von Regierenden auf die Proteste nicht. „Wenn eine Regierung, gegen die protestiert wird, beurteilt, ob der Protest angemessen, zielführend ist oder nicht, dann sind wir in einer völlig verdrehten Welt“, sagte er. „Protest muss irritieren, nerven und aufregen. Natürlich findet sie es nicht gut, sonst wäre es ja kein Protest.“
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