Joe Biden und Donald Trump könnten kaum unterschiedlicher sein, das zeigt sich auch in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit: Während der eine täglich Alarm machte, regiert der andere nüchtern vor sich hin – ein Vergleich.
In den ersten 100 Tagen im Amt hatte Donald Trump fast 1500 Tweets abgesetzt, rund zwei Dutzend Interviews gegeben, 29 Präsidentenverfügungen unterschrieben, eine Justizministerin entlassen, Streit mit der Nato, der Vorgängerregierung, dem Gouverneur von New York und der Presse angefangen.
Die Faktenchecker des Landes konnten damals in der Zeit vom 20. Januar bis zum 30. April 91 Lügen als solche entlarven. Vom angeblich gigantischen Publikum am Tag seiner Amtseinführung über die wiederholte Mär, er alleine hätte die Preise für F-35-Kampfjets um 600 Millionen Dollar gedrückt, bis hin zu einen erfundenen Terroranschlag in Schweden.
PAID Biden vs Obama 10.25
Das Spiel, jeden Tag so viele neue Sauen durchs Dorf zu treiben, dass das Quieken der anderen kaum noch zu hören war, beherrschte der 45. Präsident der Vereinigten Staaten wie kein anderer. Das alles ist genau vier Jahre her. Es wirkt wie eine halbe Ewigkeit.
Vielleicht weil das nur der Auftakt von Trumps Dauereskapaden-Präsidentschaft war, oder aber weil sein Nachfolger im Amt, Joe Biden, einen so ganz anderen Stil pflegt: pompös in der Sache, ruhig in der Verkaufe. Wäre da nicht diese lange Liste an Vorhaben und diese Summen im Billionen-Bereich (!), könnte man glatt den Eindruck bekommen, Biden würde seinem von Trump verpassten Spitznamen „Sleepy Joe“ (schläfriger Joe) alle Ehre machen. Was nach den vergangenen Jahren nicht mal die schlechteste Eigenschaft sein muss.
Auch Biden nimmt die Wahrheit nicht immer so genau
Auch Joe Biden twittert (21 Tweets seit Amtsantritt). Auch er nutzt das Netzwerk zum Angeben und auch er nimmt es mit der Wahrheit nicht immer so genau. Acht von zwölf Behauptungen aus seinen ersten drei Monaten im Amt, die von Politifact untersucht worden, sind so gut wie oder völlig falsch.
Etwa die Aussage, dass Hispanics die am Schnellsten wachsende Ethnie der USA seien (es sind asiatisch-stämmige Amerikaner) oder dass auf Waffenmessen jeder ohne Nachfragen, Gewehre und Pistolen kaufen könne (das stimmt nur bei Käufen von privaten Händlern). Auch wenn solche Ungenauigkeiten oder Lügen aus dem Mund eines US-Präsidenten ärgerlich sind, im Vergleich zu den Aufpluster-Unwahrheiten eines Donald Trump wirken sie beinahe niedlich.
PAID Biden Bilanz nach erstem Monat 6.52h
Natürlich lassen sich die jeweils ersten 100 Amtstage nur bedingt vergleichen. Donald Trump hat damals zwar ein Land mit ein paar mehr oder weniger ernsten Problemen übernommen, doch immerhin florierte die Wirtschaft. Davon können die USA im Jahr 2021 nur träumen. Stattdessen lähmt die allgegenwärtig Corona-Pandemie das Land und zwingt es wirtschaftlich in die Knie.
Immerhin hatte Vorgänger Trump dafür gesorgt, dass genügend Impfstoff vorhanden ist, weswegen die Nummer 46 im Weißen Haus sein erstes Wahlkampfversprechen halten konnte: 100 Millionen Impfungen in den ersten 100 Amtstagen. Biden brauchte sogar nur 60 Tage, weswegen er das Tempo noch einmal anzog: 200 Millionen Impfungen sollten es in 100 Tagen werden, es waren dann nur 90.
60 Mal die Vorgängerpolitik revidiert
Ähnlich wie Trump griff auch Joe Biden schon am Amtseinführungstag zu Papier und Bleistift und machte per Federstrich die Politik seines Vorgängers rückgängig. 60 waren es bislang, ein Rekord. Während Trump noch am ersten Tag aus der Gesundheitsreform von Barack Obama ausstieg, später dann den Mauerbau an der mexikanischen Grenze verfügte, und die USA irgendwann aus dem Pariser Klimaabkommen sowie dem Atomabkommen mit dem Iran zurückzog, trat Biden zuerst wieder ins Pariser Klimaabkommen sowie in die Weltgesundheitsorganisation ein, kehrte die harsche Grenzpolitik um, und versuchte, die Iraner an den Verhandlungstisch zurückzuholen.
Den direkten Vergleich im Erlasse-Verfügen mit Donald Trump gewinnt Biden deutlich mit 40 zu 22. Solche Verfügungen haben für Präsidenten den Vorteil, dass sie nicht erst durch das komplizierte Gesetzgebungsverfahren müssen, aber den Nachteil, dass sie vom Nachfolger auch schnell wieder außer Kraft gesetzt werden können.
Das Glanzstück seiner Präsidentschaft hat Biden zwar schon angekündigt, doch lässt es sich nicht mal eben mit zwei, drei Unterschriften besiegeln: Ein gigantisches Investitionsprogramm für umgerechnet zwei Billionen Euro soll die marode Infrastruktur des Landes aufmöbeln. Um es umzusetzen, braucht der US-Präsident aber die Stimmen der republikanischen Opposition – doch die sträubt sich, während den linken Demokraten die Summe viel zu niedrig ist.
Der 46. Präsident der Vereinigten Staaten legt alles in allem ein ordentliches Tempo vor, 25 von 61 Versprechen hat er bereits umgesetzt – doch Jubelarien aus der Bevölkerung sind nicht zu hören. Den Umfragen zufolge sind gerade einmal 55 Prozent der Amerikaner mit seiner Amtsführung zufrieden. Das ist zwar immer noch deutlich mehr als sein Vorgänger je erreicht hat, aber eben auch weniger als die meisten US-Präsidenten in der gleichen Zeit bekommen haben. Vielleicht ist der 78-Jährige tatsächlich zu ruhig, was sein Selbstmarketing betrifft. Oder aber er reagiert vielleicht doch etwas am Volk vorbei.
Nur die Situation an der Grenze wird schlimmer
Wie etwa beim wichtigen Thema (illegale) Einwanderung. Vor allem die Situation an der Südgrenze bekommt die US-Regierung nicht in den Griff. Die Zahl der Menschen, die versuchen, illegal über die Grenze zu kommen, steigt rasant, die Zustände in Grenzunterkünften, gerade für Kinder, sorgen für Empörung. Doch Biden sendet unterschiedliche Signale, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Trumps Migrationskurs, für den er gewählt worden war, fand am Ende seiner Amtszeit nur noch wenig Zustimmung, aber das Thema an sich trieb und treibt die Amerikaner immer noch um.
Quellen: Donald Trump auf Twitter, FactCheck.org, Politifact, Joe Biden auf Twitter, AP, GovTrackInsider, DPA, AFP, FiveThirtyEight
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