Die Welt ist eine andere seit Donald Trump. Die kleine Welt der amerikanischen Haushalte, die große Welt da draußen mit den internationalen Beziehungen, den Bündnissen. Eine große Welt im Kleinen sitzt am Pariser Platz in Berlin. In einem wuchtigen Bau hinter ein paar Laubbäumen residiert die US-Botschaft. Seit 2008 leben die Diplomaten dort, zuerst war da Goldman-Sachs-Investmentbanker Philip D. Murphy, ernannt von Barack Obama, dann Wirtschaftsanwalt John B. Emerson, wieder Obama. Jetzt ist Kent Logsdon der wichtigste Mann in der kleinen Festung im Herzen der Hauptstadt. Doch Logsdon ist anders.

Politischer „Hausmeister“ auf Abruf

Er ist kein Botschafter, denn den gibt es in Berlin aktuell nicht. Stattdessen gibt es Logsdon, er trägt den Titel „Geschäftsträger ad interim“. Als solcher soll er übergangsweise die Amtsgeschäfte, die normalerweise dem Botschafter obliegen, führen. Für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ ist Logsdon nicht mehr als „eine Art politischer Hausmeister auf Abruf“. Ein Karrierediplomat, der „fast nichts“ ausrichten könne, mit blankem offiziellen Terminkalender. „Hausmeister Logsdon“ ist aktuell der ranghöchste amerikanische Diplomat im Land.

Botschafterposten sind Jobs für Freunde. „Die Neubesetzung der Auslandsvertretungen bietet jedem Präsidenten die Möglichkeit, Unterstützer zu belohnen“, schreibt die „FAS“. „Die schönsten europäischen Posten – Paris, Rom oder Wien – gingen in der Vergangenheit oft an Freunde des Präsidenten.“ Dan Coats habe unter George W. Bush eigentlich den Chefsessel im Verteidigungsministerium angestrebt, musste sich dann aber mit dem Posten in Berlin begnügen. Eine Botschaft als Trostpflaster. Sein Nachfolger als Botschafter in der Hauptstadt wurde William Timbken, er hatte sich als Bushs Spendensammler einen Namen gemacht. Ebenso eifrige Geldeintreiber waren laut „FAS“ die bereits erwähnten Botschafter Murphy und Emerson, allerdings für Obama.

Logsdons Aufstieg kam überraschend rasant

Jetzt also Logsdon. Seit August 2015 ist der Familienvater aus Pennsylvania Gesandter der US-Botschaft in Berlin. Zuvor arbeitete er am Generalkonsulat in Stuttgart, war Praktikant in Leverkusen und Austauschschüler in Buxtehude. Am Ende kam sein Aufstieg zum wichtigsten US-Diplomaten in der Bundesrepublik trotzdem überraschend rasant: Noch vor Amtsantritt am 20. Januar brach Donald Trump mit einer amerikanischen Tradition und ließ viele Botschafter-Posten der Vereinigten Staaten umgehend räumen. Die Menschen, die gehen mussten, waren so genannte politisch ernannte Botschafter, also Gesandte, die wegen ihrer Verbindung zum Präsidenten ernannt und bei dessen Abgang ersetzt werden.

Dass Trump eigene Botschafter einsetzen wollte, war keineswegs verwunderlich. Die Tatsache, dass er keine Karenzzeit für einzelne Diplomaten gewährte, war es sehr wohl. Die „New York Times“ berichtete damals, frühere Regierungen hätten diese Übergangszeit besonders jenen Botschaftern zugestanden, die Kinder hatten, damit diese nicht abrupt die Schule wechseln mussten. Nicht so die Regierung unter Trump.

Da Botschafter allerdings nicht nur vom Präsidenten vorgeschlagen, sondern auch vom US-Senat bestätigt werden müssen, sind mehrere US-Botschafterposten dieser Welt seit Monaten unbesetzt. Berlin ist da keine Ausnahme, sondern die Regel. Wie die „FAS“ berichtet, scheinen auf einer offiziellen Liste des State Department 73 Botschafterposten als „vakant“ auf. Lediglich die Botschaft in Israel habe einen neuen Mann an der Spitze: David Friedman, ein Botschafter vom Senat bestätigt, von Trump vorgeschlagen. Es ist einer seiner bisherigen Anwälte.

Torte anschneiden am 4. Juli, der keiner war

Vor einigen Tagen rief Logsdon, der vermeintliche Hausmeister im „Geisterhaus“ („FAZ“) am Pariser Platz, aufs Flugfeld Tempelhof in Berlin. Eine Feier stand an und Diplomaten, Politiker, die Spitze der Berliner Gesellschaft sowie eine Auswahl der hier lebenden Amerikaner kamen. Man kann annehmen, die Gäste taten es gern, denn es gab Musik, ein großes Feuerwerk, Schokoladekuchen mit amerikanischer Flagge und Adler aus Süßkram obendrauf. Auf der Torte, die „Geschäftsträger ad interim“ Logsdon anschnitt, prangte in rotem und blauem Schriftzug „Happy Fourth of July!“. Zehn Tage zu früh.

Der amerikanische Unabhängigkeitstag wurde dieses Jahr in Berlin einfach nach vorne verlegt. Der 4. Juli als Termin, der passte diesmal einfach nicht, nicht mit dem G20-Gipfel, der unmittelbar danach in Hamburg beginnt und den vielen Berliner Diplomaten, die dann bereits abgereist oder zumindest arg gestresst sein dürften. Also verschieben, das sollte doch möglich sein. Möglich war’s schon, das zeigte der Freitag, nur anders wurd’s eben: Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, konnte die Ansprache des US-Präsidenten bei der Feierlichkeit zum 4. Juli, der keiner war, nicht verlesen werden – denn: Sie lag ob des frühen Termins noch gar nicht vor. Es sind kuriose Zeiten in der kleinen Welt am Pariser Platz in Berlin und in der großen da draußen.

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