Die Europäische Union fürchtet, dass EU-Bürger die Rechte, die ihnen Großbritannien in den Brexit-Verhandlungen zugesteht, später wieder verlieren könnten. Es fehle an einer „lebenslang gültigen Garantie“, heißt es in einer ersten Einschätzung der britischen Vorschläge, die Premierministerin Theresa May am Montag vorgestellt hatte. Es sei nicht sichergestellt, dass die in den Verhandlungen zugestandenen Rechte der EU-Bürger nicht durch künftige Änderungen des britischen Rechts wieder eingeschränkt werden könnten.
Das achtseitige vertrauliche Papier der EU-Kommission liegt dem SPIEGEL vor. Zuerst hatten britische Zeitungen darüber berichtet. Das Papier zeigt, wie tief das Misstrauen bei den Verhandlungen sitzt, in denen die Scheidungsmodalitäten zwischen Briten und der EU geklärt werden sollen. Neben der Frage, wie hoch die Austrittsrechnung für die Briten sein wird, geht es dabei zunächst vor allem um das Problem der künftigen Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger, die in Großbritannien leben. (Diese Meldung stammt aus dem SPIEGEL. Den neuen SPIEGEL finden Sie hier.)
Zentraler Streitpunkt könnte dabei werden, welche Rechtsqualität die künftigen Rechte der EU-Bürger haben. Geht es nach dem Willen der EU, sollen sich EU-Bürger künftig auch in Großbritannien weiterhin direkt auf ihre Rechte berufen können, daher sollen sie Bestandteil des angestrebten Abkommens mit den Briten werden. Notfalls könnten EU-Bürger ihre Rechte dann vor dem Europäischen Gerichtshof einklagen. Die Briten bieten dagegen einen speziellen Status für die EU-Bürger im britischen Recht an, den britische Gerichte schützen würden.
Briten könnten Gesetz einseitig ändern
Was wie ein kleiner technischer Unterschied klingt, hat weitreichende Folgen: Denn ein derartiges britisches Gesetz könnte der britische Gesetzgeber in der Zukunft einfach einseitig ändern.
Das EU-Papier enthält weitere Kritik. Insgesamt, so heißt es, drohe Mays Vorschlag britische Bürger, die in der EU leben, besserzustellen als EU-Bürger, die weiter in Großbritannien leben wollen. Für die Briten gilt weiterhin das großzügigere EU-Recht, für EU-Bürger aber nach einem bestimmten Datum nur noch britisches Recht („fehlende Reziprozität“).
Unklar sei zudem, für welchen Personenkreis das britische Angebot gelte: Unbefriedigend sei beispielsweise der Status der Familienangehörigen von EU-Bürgern, die in Großbritannien leben wollen. Für sie sollen künftig die üblichen britischen Immigrationsregeln gelten, anders als unter EU-Recht müssten die dort schon lebenden Verwandten dann ein Mindesteinkommen nachweisen. Auch der Stichtag, ab dem neue Regeln gelten sollen, sorgt für Streit. Während die EU auf das Datum des Brexit drängt, also Ende März 2019, wollen die Briten den Stichtag womöglich früher ansetzen.
Premierministerin May hatte am Montag ihr Angebot unterbreitet, wonach für sie künftig nach fünf Jahren die gleichen Rechte wie für Briten gelten sollen, also ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht mit Zugang zu Bildung, Gesundheitswesen und Rentenkasse. May sprach von einem „fairen und großzügigen“ Angebot. Am Dienstag erläuterte Robin Walker, Staatssekretär im Brexit-Ministerium, die britischen Vorschläge Brüsseler Politikern, unter anderem dem CDU-Außenpolitiker Elmar Brok, der im Europaparlament für die Brexit-Verhandlungen mit zuständig ist.
Die Spitzen der EU-Institutionen und Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier haben Mays Angebot bereits als „zu wenig ambitioniert“ zurückgewiesen, ohne jedoch Details zu nennen. Die nächste Verhandlungsrunde soll am 17. Juli beginnen.
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