Wer gehofft hatte, die britische Premierministerin Theresa May würde bei der Vorstellung ihres Plan B zum Brexit-Deal etwas Neues vorschlagen, wurde bitter enttäuscht. May ist weiterhin nicht bereit, von ihren roten Linien abzuweichen. Erneut lehnte sie es ab, einen Brexit ohne Abkommen auszuschließen, wie es die Opposition und einige ihrer EU-freundlichen Abgeordneten fordern. Das sei unmöglich, ohne die Austrittserklärung zurückzuziehen, sagte May, und das wiederum wäre eine Missachtung des Wählerwillens, der im Brexit-Referendum 2016 zum Ausdruck gekommen sei. Die deutsche Presse reagiert auf das Geschacher und Hinhalten in London entnervt. Theresa May lege eine politische Geisterfahrt hin, die im Fiasko enden könnte.

„Rhein-Zeitung“: Premierministerin Theresa May wird von der Europäischen Union längst nicht mehr als Partnerin, sondern mittlerweile als das eigentliche Problem bei den Verhandlungen diesseits und jenseits des Kanals gesehen. Denn zu Haus schafft sie es nicht, einen überparteilichen Kompromiss zu basteln. Und in Brüssel ergeht sie sich weiter in blumigen Unverbindlichkeiten aus der Kategorie „Politischer Grundwahrheiten“. Bei allem Respekt: Es ist nicht abzusehen, wie mit dieser Regierungschefin noch ein gut organisierter Austritt aus der EU zu schaffen sein sollte.

„Freie Presse“: Was treibt diese Frau an? Welchen Plan hat sie wirklich? Spielt sie tatsächlich auf Zeit? Glaubt sie, die Abgeordneten werden kurz vor dem Austrittstermin doch noch umknicken und dem umstrittenen Brexit-Vertrag aus lauter Verzweiflung doch zustimmen? Das alles mutet an wie eine politische Geisterfahrt zum Brexit.

„Zeit Online“: Es war doch sehr wenig, was May präsentierte. Ihre einzig konkrete Entscheidung: EU-Bürger, die in Großbritannien leben und dort eine Aufenthaltsberechtigung beantragen sollen, werden nun nicht mehr die Gebühr von 65 Pfund zahlen müssen. Das war’s. Ansonsten versprach die Regierungschefin das, was sie schon seit der Niederlage im Parlament beteuert: Sie werde zuhören, werde mit allen Seiten des Parlamentes sprechen, werde nach Lösungen suchen. (…) In der Tat klang der Ansatz von May dünn, fast hilflos. Die Ansätze, die viele Abgeordnete im Parlament als Lösung befürworten, lehnte sie strikt ab: Weder will sie den Automatismus des No-Deal am 29. März stoppen, wenn Großbritannien aus der EU tritt – egal ob bis dahin ein Austrittsvertrag von britischen Parlament abgesegnet wurde oder nicht. Noch will sie die Frist des Artikel 50 hinauszögern, die Großbritannien und der EU mehr Zeit gäbe, sich zu einer Lösung durchzuringen.

„Kölner Stadt-Anzeiger“: In Brüssel trat die britische Verhandlungsführerin eines Austrittsabkommens mit der EU mit immer neuen Plänen und Prioritäten auf. Erstaunlich genug, dass daraus ein Austrittsvertrag hervorgegangen ist. (…) Sollte es einen Plan A gegeben haben, stand A für ‚auf gut Glück‘. Gewiss ist die Suche nach einem Konsens im Unterhaus jetzt Mays dringlichste Aufgabe. Ohne Mehrheit gibt es kein Abkommen über die Ausstiegsmodalitäten und die Ausgestaltung künftiger Beziehungen. Doch die Art, mit der May ihren angeblichen Dialog jetzt angeht, ist kaum erfolgversprechend: Sie weigert sich, einen ungeregelten Brexit auszuschließen, und setzt die Abgeordneten damit unter Druck. Unter Berufung auf Volkes Wille schließt May auch eine Verschiebung des Austritts, ein zweites Referendum und eine Neuwahl aus. Es sind Optionen, die das ermüdende Brexit-Drama in die Länge zögen.“

„Frankfurter Allgemeine“: Gerade angesichts der völlig verfahrenen politischen Lage in Großbritannien wäre es immer noch der bessere Weg, jetzt erst einmal einen geordneten Austritt zu vollziehen und dann weiterzusehen. Ein ungeregelter Brexit würde niemandem dienen, weder in Großbritannien noch im Rest Europas. (…) Was Theresa May am Montag im Unterhaus vortrug, lässt sich auf die Formel bringen: Plan B ist Plan A. In keiner der großen Fragen (…) änderte sie ihre Haltung. Sie will wieder reden – mit den Abgeordneten und mit der EU. Dass es nun schnell gehen muss, kann sogar ein Vorteil sein. Nicht nur die Geschichte der EU lehrt, dass mit Zeitdruck oft auch der Einigungswille steigt.

„Südwest Presse“: Wegen der konfusen Handlung und der miserablen Regie wächst bei großen Teilen des Publikums der Wunsch nach einem neuen Volksentscheid, weil sich beim ersten Durchgang kaum jemand vorstellen konnte, wie schlecht das Stück sein würde. Wenn die Briten – gemäß Umfragen – dann dafür stimmen, die Klamotte wegen Unspielbarkeit kurzerhand abzusetzen, wäre das wohl die beste Lösung.

„Neue Osnabrücker Zeitung“: Der Vorstoß, erneut mit der EU über die Grenzregelung zu Nordirland zu verhandeln, spiegelt die Hilflosigkeit der Premierministerin wider. Denn weder die Iren noch die Europäische Union werden sich von May unter Druck setzen lassen und ihrer Forderung nach einer offenen Grenze nachgeben. Dabei dürfte die Geduld der Briten längst aufgebraucht sein, sehnt man sich mehr denn je nach einer raschen Lösung statt nach halb garen Ankündigungen. Es liegt nun an den Briten, endlich für Klarheit zu sorgen und dem ausgehandelten Deal mit Brüssel zuzustimmen. Nur so lässt sich das Fiasko eines ungeordneten Austritts noch verhindern.

„Badische Neueste Nachrichten“: In Westminster nichts Neues. Theresa Mays erneuter Brexit-Auftritt vor dem Parlament hat den festgefahrenen britischen Streit um den EU-Austritt des Königreichs keinen Schritt vorangebracht. Man muss sich schon wundern über die unverfrorene Arroganz und seltene Dickhäutigkeit der Regierungschefin, die in der vergangenen Woche einen sehr schmerzhaften Schlag einstecken musste – und die nun den Abgeordneten zur Afternoon-Tea-Zeit einen lauwarmen Aufguss ihrer ursprünglichen Brexit-Lösung auftischt. Als hätte es die blamable Abstimmungsniederlage nie gegeben. Es bleibt der Eindruck, dass hier eine Politikerin auf verlorenem Posten kämpft, weil es ihr nicht um die nationalen Interessen, sondern einzig um ihr politisches Erbe geht. May hat wohl Angst davor, was über sie in den Geschichtsbüchern stehen wird. Diese Angst ist jetzt ein schlechter Ratgeber.

„Mannheimer Morgen“: Der Haken ist der Backstop, jene Notfall-Lösung, die eine harte Grenze zwischen Irland und der Provinz Nordirland vermeiden soll. An ihm könnte schlussendlich jeder Deal scheitern. Und doch zeigen ausgerechnet die kontrovers geführten Debatten auf der Insel, warum es den Backstop so dringend braucht. Wahnwitzige Vorschläge wie der angebliche Plan, mit der Republik Irland einen bilateralen Vertrag zu schließen und die EU zu umgehen, offenbaren vor allem jene typische Arroganz, die der irische Nachbar häufig von der britischen Elite erfährt. Westminster verdient nach diesem jahrelangen Theater kein Vertrauen mehr.

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