Vier Chaosjahre unter Trump im Weißen Haus zwischen zwei Buchdeckel pressen? Praktisch unmöglich. Und doch haben es erneut einige Autoren versucht – mit Hilfe des Ex-Präsidenten selbst. Was steht drin?

Was wohl Carlos Lozada gerade denken mag? 

Es sind bereits so viele Bücher über Donald Trump und seine Präsidentschaft erschienen, dass es schon ein Buch über Trump-Bücher gibt. Lozada hat es verfasst, es heißt „What Were We Thinking“, also: „Was haben wir uns gedacht“. 

Der Literaturkritiker der „Washington Post“ hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jedes Trump-Buch zu lesen, um eine Erklärung für diese bizarre Episode in der US-Politik zu finden. Vier Jahre und knapp 150 Bücher später legte er seine „Trump-Studie“ vor, wie Lozada sein Werk trocken beschreibt. Das war im Oktober 2020.

Seitdem ist viel passiert. Und sollte der Trump-Gelehrte noch immer den Anspruch auf Vollständigkeit haben, dürfte er noch einige Buchmeter zu bewältigen haben.

So kam der neue Schwung an Trump-Schmökern zustande

In den vergangenen Wochen sind zahlreiche Wälzer des Wissens erschienen, die ein Schlaglicht auf Trumps letzten Tage im West Wing werfen. Und natürlich sind sie wieder gespickt mit zahllosen Peinlichkeiten, Possen und politischem Sprengstoff. Die „New York Times“ fragt sich unlängst: „Gibt es an diesem Punkt überhaupt noch etwas über Trump zu lesen, das einen schocken könnte?“

In der Tat: Einen Politiker, der in derart großem Stil exponiert und ausgeleuchtet wurde, dürfte es bisher nicht gegeben haben. Insofern liegt der eigentliche Knüller der neuen Lektüre auch jenseits ihres Inhalts. 

PAID Angst der Republikaner vor Trump 10.42

Denn Trump hat für den neuen Schwung an Schmökern mit Dutzenden Autorinnen und Autoren persönlich gesprochen, sie teilweise sogar zum Essen in seinem Luxusanwesen Mar-a-Lago in Florida eingeladen. Seitdem er die Schlüssel der Pennsylvania Avenue 1600 an den neuen Hausherren Joe Biden übergeben hat, soll er mindestens 22 Gespräche für 17 verschiedene Bücher geführt haben, berichtete das US-Portal „Axios“.

Was will Trump erreichen?

Aber warum? Das kann sich Michael Wolff nur so erklären: „Für Trump zählt fast nur die Aufmerksamkeit in den Medien, egal ob sie positiv oder negativ ist.“

Der berüchtigte Klatschreporter dürfte wissen, wovon er spricht: Nachdem sein Erstling über Trump („Feuer und Zorn“) etliche Schlagzeilen produzierte, wollten dessen Anwälte die Veröffentlichung stoppen. Für sein nunmehr drittes Trump-Buch lud ihn der Protagonist zum Dinner ein – mit sich und seiner Frau Melania. „Er sieht das so: Da ist ein Typ, der verkauft viele Bücher, warum also nicht?“, sagte Wolff dem „Spiegel“. Gemessen an den vielen Chart-Platzierungen bei Amazon scheint die Strategie geglückt.  

Theater um 6. Januar-Ausschuss 1610

Dass Trump vielmehr daran gelegen sein dürfte, im Gespräch zu bleiben statt staatsmännisch auf seine Zeit als US-Präsident zurückzublicken, steht ohnehin außer Frage. Viele Gespräche mit den Autorinnen und Autoren führte er offiziell, also nicht im Hintergrund, wie es Journalisten nennen: Das erlaubt den Autorinnen und Autoren, Trump namentlich zu zitieren. Ein Schelm, wer denkt, Trump könnte darauf abgezielt haben, seinen Namen im Zuge der Berichterstattung fortlaufend zu lesen.

Doch auch anonyme Quellen und frühere Mitarbeiter werden in den neuen Büchern herangezogen, um ein Destillat von Trumps letzten Tagen zwischen zwei Buchdeckel zu pressen. Vielleicht mag deren Lektüre nicht mehr zwingend schockieren (angesichts der Abgeklärtheit, die Leserinnen und Leser nach vier Jahren Häme, Hass und Hetze entwickelt haben könnten). Doch „zusammengenommen zeigen diese Trump-Bücher, wie nahe die USA an einer Katastrophe waren“, schreibt etwa der „Guardian“. 

Das steht in den neuen Trump-Büchern 

Stichwort: Corona-Pandemie. In „Nightmare Scenario“ schildern die „Washington Post“-Journalisten Yasmeen Abutaleb und Damian Paletta, wie sehr Trump im Kampf gegen das Virus versagt hat. Demnach soll der damalige Präsident zu Beginn der Pandemie erwogen haben, infizierte Landsleute nach der Rückkehr aus dem Urlaub zur Quarantäne ins Gefangenenlager Guantánamo zu schicken. „Haben wir keine Insel, die wir besitzen?“, soll Trump im Februar 2020 im Weißen Haus gefragt haben, bevor sich das Virus dramatisch in den USA ausbreitete. Und dann: „Was ist mit Guantánamo?“ Trump-Berater seien fassungslos gewesen, schrieb die „Washington Post“, die einen Vorabdruck veröffentlichte. Letztlich sei die Idee verworfen worden, weil sich die Berater über die öffentliche Reaktion gesorgt hätten.

Stichwort: Black Lives Matter. In „Frankly, We Did Win This Election“ schreibt der „Wall Street Journal“-Reporter Michael Bender, dass Trump die Demonstranten – die nach dem Tod des Schwarzen George Floyd durch einen weißen Polizisten landesweit protestierten – brutal niederschlagen lassen wollte. Demnach soll er von den Einsatzkräften gefordert haben, den Protestierenden die Schädel zu brechen („crack skulls“), sie zusammenzuschlagen („beat the fuck out“) und zu erschießen („Just shoot them“). Laut Bender soll etwa Trumps damaliger Justizminister William Barr in Fundamentalopposition gegangen sein, woraufhin der erzürnte Präsident seine Forderungen abgeschwächt habe: „Dann schießt ihnen ins Bein – oder vielleicht in den Fuß. Aber seid hart zu ihnen!“, wird Trump zitiert.

Stichwort: Sturm auf das Kapitol. In „I Alone Can Fix This“ berichten die „Washington Post“-Reporter Carol Leonnig und Philip Rucker von der Sorge des damaligen US-Generalstabschefs Mark Milley, dass es zu einem Putschversuch kommen könnte, um Trump im Amt zu halten. Wenige Tage vor dem tödlichen Sturm auf das Kapitol am 6. Januar soll Milley vor Vertrauten gesagt haben: „Das ist ein Reichstag-Moment“, „die Glaubensbotschaft des Führers“. Trump hatte nach seiner Niederlage bei der Präsidentenwahl wiederholt Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug geäußert.

Mit seinen Bemerkungen habe Milley Parallelen zum Reichstagsbrand gezogen. Die Nationalsozialisten hatten ein durch Brandstiftung verursachtes Feuer im deutschen Parlament 1933 genutzt, um ihre Diktatur zu festigen. Trump reagierte prompt nach Vorabveröffentlichung der entsprechenden Passagen: Er habe nie mit einem Putsch gedroht oder mit irgendjemanden über einen Putsch gesprochen.

Zweifellos überliefert ist, dass Trump die Ereignisse vor dem Kapitol noch immer herunterspielt. Die Aussagen wurden für das Buch „“I Alone Can Fix This“ auf Band aufgezeichnet. „Und es war übrigens auch eine liebevolle Menschenmenge. Es gab eine Menge Liebe. Das habe ich von allen gehört“, sagte Trump nach einem Audiomitschnitt der „Washington Post“-Reporter Carol Leonnig und Philip Rucker. Trump glaube, es sei die größte Menschenmenge gewesen, zu der er jemals zuvor gesprochen habe, sagte Trump weiter. 

Seine Anhänger hatten am 6. Januar den Sitz des US-Kongresses in Washington erstürmt. Dabei kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Kapitol-Polizist. Trump musste sich wegen des Angriffs einem Amtsenthebungsverfahren stellen, weil er seine Anhänger zuvor in einer Rede aufgestachelt hatte. Am Ende des Verfahrens wurde er freigesprochen.

Stichwort: Trumps Faible für Diktatoren und Despoten. Dass Trump eine Faszination für Autokraten hat, ist keine Neuigkeit – mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hegte er sogar eine Art Brieffreundschaft. Eine Bemerkung habe Trumps ehemaligen Stabschef John Kelly aber „betäubt“ zurückgelassen, schreibt „Wall Street Journal“-Reporter Michael Bender in „Frankly, We Did Win This Election“. Auf einer Europareise im Jahr 2018 soll der US-Präsident zu ihm gesagt haben: „Nun, Hitler hat viel Gutes getan.“ Anlass des Besuchs war das 100-jährige Jubiläum des Endes des Ersten Weltkrieges. Weiter schreibt Bender, dass Trump die Bemerkung während einer improvisierten Geschichtsstunde gemacht habe, in der Kelly „den Präsidenten daran erinnerte, welche Länder während des Konflikts auf welcher Seite standen“ und „die Punkte vom ersten Weltkrieg mit dem Zweiten Weltkrieg und allen Gräueltaten Hitlers verknüpfte“.

Bericht soll Unterstützung Trumps durch den Kreml belegen 19.28h

Trump bestritt, die wohlwollende Bemerkung über Hitler gemacht zu haben. Autor Bender zitiert jedoch mehrere anonyme Quellen, die berichten, dass der Stabschef „den Präsidenten ermahnte, dass er falsch liegt, aber Trump sich nicht beirren ließ“ und besonders die wirtschaftliche Erholung Deutschlands unter Hitler in den 1930er-Jahren positiv hervorhob. „Kelly schoss abermals zurück“, schreibt Bender, „und argumentierte, dass das deutsche Volk besser arm gewesen wäre, als dem Nazi-Völkermord ausgesetzt gewesen zu sein.“ Laut Bender wurde Trump von Kelly gewarnt, dass selbst wenn seine Behauptung über die deutsche Wirtschaft wahr wäre, „Sie niemals etwas sagen dürfen, das Adolf Hitler unterstützt. Das können Sie einfach nicht.“

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