Von Sophia-Caroline Kosel und Sophia Weimer, dpa
15 Zentimeter lange Wunde
Altena (dpa) – Der Bürgermeister der sauerländischen Stadt Altena, Andreas Hollstein (CDU), ist bei einem Messerangriff schwer verletzt worden. Die Behörden halten ein politisches Motiv für wahrscheinlich, die genauen Hintergründe waren aber noch unklar.
Altena wurde bundesweit bekannt, weil es mehr Flüchtlinge aufnimmt, als es nach dem Verteilschlüssel aufnehmen müsste. Die Staatsanwaltschaft in Hagen kündigte weitere Informationen für heute an.
Hollstein war am Montagabend in einem Dönerladen mit einem Messer angegriffen worden. Dabei hat er eine circa 15 Zentimeter lange Schnittwunde am Hals erlitten. Das teilten Staatsanwaltschaft und Polizei in Hagen mit.
Der Politiker sei mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden, habe es aber noch am Abend wieder verlassen können, berichteten örtliche Medien in der Nacht. «Ich habe zupackende Menschen an meiner Seite gehabt und bin froh, dass ich noch lebe», sagte Hollstein der Nachrichtenseite «Lokalstimme».
Hollstein hat im Rathaus von Altena seinen Helfern gedankt: «Ja, ich habe um mein Leben gefürchtet», sagte der 54-Jährige. Er sei sicher, dass er es nicht mehr hätte, wenn er nicht Hilfe bekommen hätte. Er habe großes Glück gehabt, dass die beiden Imbissladenbesitzer – Vater und Sohn – ihm zur Hilfe gekommen seien.
«Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass es einen politischen Hintergrund bei diesem Anschlag gibt», sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Der mutmaßliche Täter, der laut Laschet dingfest gemacht wurde, habe Bemerkungen über die Flüchtlingspolitik gemacht, die diesen Rückschluss zuließen.
Auch ein Mann, der Hollstein zur Hilfe eilte, wurde leicht verletzt. Nach einem Bericht der «WAZ» war der Angreifer offensichtlich alkoholisiert. Der Täter soll Hollstein vor dem Angriff gefragt haben: «Sind Sie der Bürgermeister?»
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich bestürzt: «Ich bin entsetzt über den Messerangriff auf Bürgermeister Andreas Hollstein – und sehr erleichtert, dass er schon wieder bei seiner Familie sein kann», twitterte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag im Namen der Kanzlerin. «Dank auch an die, die ihm geholfen haben.»
Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verurteilte den Angriff. «Schreckliche Nachricht aus Altena», schrieb er am Dienstagmorgen auf Twitter und wünschte Hollstein gute Besserung. «Dürfen niemals akzeptieren, dass Menschen attackiert werden, nur weil sie anderen helfen. In unserem Land darf kein Platz sein für Hass und Gewalt.»
Der nordrhein-westfälische Familienminister Joachim Stamp (FDP) schrieb bei Twitter: «Alle guten Wünsche an Andreas Hollstein, dem großartigen Bürgermeister Altenas.» Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) äußerte sich ebenfalls schockiert: «Entsetzlich. Meine Solidarität gilt Herrn Hollstein & dem ebenfalls verletzten Mann.»
«Diese Gewalt in unserem Land gegenüber ehrenamtlich Tätigen, gegen Bürgermeister, die sich um das Wohl ihrer Stadt kümmern, ist verabscheuungswürdig», sagte Ministerpräsident Laschet. «Klar ist: in Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für Hass und Gewalt. Die Vielfalt ist Kennzeichen unseres Landes.»
Auch die Bezirksregierungen von Arnsberg und Köln wünschten Hollstein via Twitter gute Besserung – und verurteilten den Angriff. «Gewalt kann und darf nie Mittel der Auseinandersetzung sein. Egal welche Differenzen es auch gibt, man muss sie mit Worten klären», hieß es auf dem Account der Bezirksregierung Arnsberg. Die Stadt liegt ebenso wie Altena im Sauerland.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) war im Oktober 2015 einen Tag vor ihrer Wahl von einem Rechtsextremisten mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt worden. In der vergangenen Woche wollte ursprünglich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Antrittsbesuch in NRW auch nach Altena kommen – und sich dort mit Flüchtlingsfamilien treffen. Diese Reise musste er wegen der geplatzten Jamaika-Verhandlungen absagen.
Andreas Hollstein: Bürgermeister mit aktiver Flüchtlingspolitik
Noch im Mai hatte Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein einen Termin bei der Bundeskanzlerin. Angela Merkel zeichnete die Kommune im Sauerland für ihre gute Flüchtlingsarbeit mit dem Nationalen Integrationspreis aus. Der CDU-Politiker hatte sich dafür eingesetzt, dass die 18.000-Einwohner-Stadt mehr Flüchtlinge aufnimmt als vorgesehen – auch um den starken Bevölkerungsschwund zu stoppen. Mit seiner auf eine schnelle Integration der Flüchtlinge ausgerichteten Politik hat sich Hollstein auch Feinde gemacht. Er habe Hassmails bekommen, berichtete er bei der Preisverleihung in Berlin.
Hollstein ist seit 1999 hauptamtlicher Bürgermeister seiner Heimatstadt, zuletzt wurde er 2014 mit fast 70 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. «Der allgemeine Spaßfaktor an der Kommunalpolitik ist begrenzt», hat er dennoch einmal geklagt. Zumal der 54-Jährige mit einer chronisch leeren Stadtkasse zu kämpfen hat. Neben seinen politischen Posten bekleidet der Vater von vier Kindern ein für das Sauerland wichtiges Amt – er ist Präsident des Sauerländischen Gebirgsvereins, dem mehr als 30.000 Wanderfreunde angehören.
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