Berlin – Der Bundeshaushalt 2022 mit einem Volumen von rund 496 Milliarden Euro und einer Neuverschuldung von knapp 139 Milliarden Euro steht – doch niemand weiß, was das Zahlenwerk wert ist.
Denn die Folgen des Ukraine-Kriegs und die Nachwirkungen der Corona-Pandemie bergen kaum kalkulierbare Risiken. „Wir haben eine schwierige haushaltspolitische Ausgangslage“, brachte es der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde, am Freitag auf den Punkt. Die Haushaltsaufstellung sei „von vielen Unsicherheiten geprägt“. Aus Sicht der Opposition ist sie zudem durch eine zu hohe Nettokreditaufnahme und falsche Prioritätensetzung gekennzeichnet.
Das Verfahren
Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte die Etatberatungen in der Nacht zum Freitag abgeschlossen. In einer rund 15 Stunden dauernden sogenannten Bereinigungssitzung ging er alle Einzeletats durch. Dabei wurde das Ausgabevolumen nochmals leicht erhöht, sodass es jetzt bei 495,79 Milliarden Euro liegt. Nicht mehr gedreht wurde an der Neuverschuldung, die exakt 138,94 Milliarden Euro beträgt.
Der Bundestag will den Etat in der Woche vom 30. Mai bis 3. Juni verabschieden. Grund für den späten Beschluss ist die Bundestagswahl mit dem Regierungswechsel im vergangenen Herbst. Die Ministerien arbeiten seit Jahresbeginn mit einer vorläufigen Haushaltsführung.
Änderungen in letzter Minute
Die Bereinigungssitzung ist üblicherweise auch die Gelegenheit, um noch Änderungen in letzter Minute vorzunehmen. So berichtete der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler, dass nochmals 200 Millionen Euro für internationalen Klimaschutz und internationale Biodiversität bereitgestellt worden seien. Weitere 400 Millionen Euro habe man für die Digitalisierung der Schiene in den kommenden Jahren draufgelegt. Die Investitionen seien um 705 Millionen auf 51,5 Milliarden Euro erhöht worden. Das Auswärtige Amt sei im Vergleich zum ersten Entwurf um knapp 1 Milliarde Euro gestärkt worden. Auch die geplante 1 Milliarde Euro an Liquiditätshilfe für die Ukraine wurde laut Rohde noch aufgenommen.
Die Reaktionen
Bei der Opposition stieß das Zahlenwerk auf massive Kritik. Die Union hält eine Senkung der Neuverschuldung um 88 Milliarden Euro für möglich. Dazu sollten Milliarden-Rücklagen jetzt und nicht erst in Zukunft aufgelöst sowie Einsparungen vorgenommen werden. „Das ist ein Zeichen auch an die Bevölkerung, die im Augenblick viele Einschränkungen machen muss, dass auch der Staat spart an der Stelle, und wir nicht jedes Problem in Deutschland mit Geld zuwerfen können“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU, Christian Haase. Seine Fraktion habe bei den Beratungen auch ein Entlastungspaket von 40 Milliarden Euro vorgelegt, sei damit aber nicht durchgedrungen.
Gesine Lötzsch, die haushaltspolitische Sprecherin der Linken, rechnete vor, dass die „regulären Rüstungsausgaben“ – also ohne das geplante 100-Milliarden-Sondervermögen – mit 50,3 Milliarden Euro so hoch seien wie nie zuvor. „Das ist natürlich klar, dass ökologische und soziale Themen in den Hintergrund getreten sind“, sagte sie. „Als Linke sagen wir, wir müssen das Geld verwenden, um die weitere Spaltung der Gesellschaft zu bekämpfen.“ Lötzsch forderte einen Preisdeckel für Mieten und Grundnahrungsmittel, höhere Regelsätze für Hartz IV, mehr Geld für die Pflege-Infrastruktur und für den sozialen Wohnungsbau, bessere Rentenleistungen und eine BaföG-Erhöhung.
Der AfD-Haushaltspolitiker Peter Boehringer nannte die Schuldenquote von 28 Prozent „schon gigantisch, unglaublich hoch“. Dabei wäre ein Haushalt ohne neue Schulden möglich. Boehringer monierte unter anderem, dass sich der Etat des Gesundheitsministeriums im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit auf über 50 Milliarden Euro verdreifacht habe. Mehr als die Hälfte seien für Corona-Ausgaben vorgesehen, die nicht mehr nötig seien. So würden mit Milliardensummen leerstehende Test- und Impfzentren finanziert und Impfstoffe gekauft, die niemand mehr haben wolle. Und in der Außen- und Entwicklungspolitik würden noch immer „Weltbeglückungsprogramme“ finanziert.
Die Risiken
Ukraine-Krieg, Corona und Inflation – diese drei Faktoren nannte der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke als Grund dafür, warum der Bund in diesem Jahr nicht die Schuldenbremse des Grundgesetzes einhalten könne. In Deutschland scheint die Pandemie zwar auszuplätschern, in China führt sie aber gerade zu massiven Lockdowns, die über gestörte Lieferketten auch die Konjunktur in Deutschland drücken dürften. Noch unkalkulierbarer sind der weitere Krieg in der Ukraine und die finanziellen Folgen für Deutschland.
Und die Inflation wird absehbar bald auch in Europa zu höheren Zinsen führen. Damit werden künftig Schulden wieder Geld kosten. Im Zuge der Haushaltsbereinigung wurden bei den Zinstiteln 5,5 Milliarden Euro draufgelegt – „aus Sicherheitsgründen, aber auch deswegen, weil die Berechnungen schon in die Richtung gehen“, so FDP-Haushälter Fricke, der von einer „weiteren Herausforderung“ sprach.
80 Millionen Euro für G7-Gipfel in Bayern
Der Bund hat für den G7-Gipfel im Juni in Bayern Ausgaben von 80 Millionen Euro eingeplant. Das geht aus dem Bundeshaushalt 2022 hervor. Dabei wurden die ursprünglich vorgesehenen Ausgaben von 50 Millionen Euro nochmals um 30 Millionen aufgestockt.
Auch die neue Summe liegt aber weit unter den 180 Millionen Euro, die Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) für das Sicherheitskonzept veranschlagt hat. Das Land will die Summe vom Bund als Gipfel-Veranstalter zurückfordern.
Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten kommen unter Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vom 26. bis 28. Juni im Luxushotel Schloss Elmau nahe Garmisch-Partenkirchen zusammen.
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