Berlin – Die Bundesregierung hat sich „tief bestürzt“ gezeigt über den Suizid der von Gegnern der Corona-Maßnahmen bedrohten österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Ein Regierungssprecher sagte in Berlin, es sei Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der Bundesregierung ein besonderes Anliegen, sich gemeinsam mit den österreichischen Freunden gegen den Hass zu stellen. Drohungen, Gewalt und Hetze seien auf das Schärfste zu verurteilen, gerade auch, wenn sie sich gegen medizinisches Personal und Ärztinnen und Ärzte richteten.

Die deutschen Sicherheitsbehörden kooperierten mit den österreichischen Behörden bei den Ermittlungen. „Digitaler Hass“ im Internet bleibe viel zu häufig straflos, so der Sprecher. „Digitale Gewalt werden wir mit all unseren rechtsstaatlichen Mitteln und der Härte des Gesetzes bekämpfen.“

Große Anteilnahme und Bestürzung

Zuvor hatten sich schon weitere Politiker und Ärzte in Deutschland über den Suizid der österreichischen Ärztin bestürzt gezeigt. Im Fokus steht dabei der Hass im Internet. „Jeden Tag wird in den sozialen Netzwerken zu Gewalt gegen mich aufgerufen“, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Leute rufen regelmäßig – teilweise sogar mit Klarnamen – zu meiner Ermordung auf.“ Er werde deswegen besonders gut geschützt.

„Die österreichische Kollegin dagegen musste den Schutz selbst bezahlen und konnte sich das nicht mehr leisten.“ Er verachte und verabscheue die Hetzer im Netz, die diese Frau in den Tod getrieben hätten.

Drohungen und körperliche Angriffe

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, meinte in der „Welt“, der Tod der Ärztin führe „drastisch vor Augen, wohin die Verrohung des gesellschaftlichen Klimas führen kann“. Auch in Deutschland sinke die Hemmschwelle. Ärztinnen und Ärzte erhielten Drohbriefe, würden verbal und körperlich angegriffen.

„Die Polizei muss angesichts der besorgniserregenden Zunahme digitaler Straftaten zügig handeln“, forderte Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, in der Zeitung. Es fehle aber an entsprechenden Ressourcen, personell wie bei der Ausstattung.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken rief die Menschen dazu auf, Opfern von psychischer Gewalt beizustehen. Gerade Frauen seien häufig betroffen, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Im Kampf gegen diese Form der Gewalt müssen wir noch durchsetzungsfähiger werden.“

Massiver Druck von Impfgegnern

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz forderte in der „Rheinischen Post“ eine bessere Ausstattung der Ermittlungsbehörden in Deutschland. Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz sprach sich in der Zeitung für mehr Befugnisse im digitalen Raum aus. „Mit der Beschränkung der Sicherheitsbehörden auf das Abhören von Festnetztelefonaten wird man der Lebensrealität im Jahr 2022 einfach nicht gerecht“, kritisierte die CSU-Politikerin.

Die österreichische Medizinerin hatte sich für Corona-Impfungen engagiert und war nach eigenen Angaben monatelang massiv von Impfgegnern unter Druck gesetzt worden. Am Freitag wurde bekannt, dass sie tot in ihrer Praxis in Oberösterreich gefunden worden war.

Obduktion bestätigt Suizid

Eine Obduktion der Leiche bestätigte unterdessen einen Suizid. Das gehe aus dem vorläufigem Obduktionsergebnis hervor, teilte die Staatsanwaltschaft Wels mit. „Insbesondere sind keine Hinweise auf eine Einwirkung von Dritter Hand zu Tage getreten.“

Zunächst hatten die Behörden eine Obduktion nicht für nötig erachtet. Allerdings hatten zwei Angehörige am Dienstag einen solchen Schritt beantragt, dem das Landgericht zustimmte.

Die Ermittlungen wegen der Drohungen gingen weiter, so der Sprecher. Auch die deutschen Behörden würden Spuren verfolgen. So hat die Staatsanwaltschaft München in dem Fall Ermittlungen aufgenommen. „Es gibt ein Ermittlungsverfahren gegen eine männliche Person aus Oberbayern bei uns“, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München II entsprechende Informationen der Mediengruppe Bayern.

Die österreichischen Ermittler haben auch die Berliner Staatsanwaltschaft um Rechtshilfe gebeten. Entsprechende Unterlagen seien übermittelt worden, bestätigte ein Sprecher der Berliner Behörde am Mittwoch. Zuvor hatte die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.

Es gehe dabei um mögliche Beschuldigte aus der Hauptstadt, die Drohungen gegen Kellermayr ausgesprochen haben sollen, sagte der Sprecher. Die Staatsanwaltschaft prüfe nun, ob die Verdächtigen tatsächlich in Berlin lebten und ob ein entsprechendes Verfahren eingeleitet werde.

Um Nachahmer-Effekte zu verhindern, berichtet dpa im Einklang mit dem Pressekodex nur mit großer Zurückhaltung über Selbsttötungen und wird daher auch in diesem Fall auf die Nennung weiterer Details verzichten.

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