Frage: Nach den Festnahmen bei der Oppositionszeitung Cumhuriyet
wurden in der vergangenen Woche nun auch mehrere Politiker der prokurdischen HDP festgenommen. Was passiert gerade
in der Türkei?

Can Dündar: Das ist ein Putsch,
der dort gerade stattfindet. Erdoğans Putsch. Wie schon beim Putschversuch am 15. Juli wurde das türkische Parlament
erneut bombardiert – dieses Mal allerdings durch Erdoğans Haftbefehle. Ich sehe keinen Unterschied zwischen dem
Vorfall im Juli und dem, was gerade stattfindet. Es sind weitere Maßnahmen, um das Land in einen Ein-Mann-Staat zu
verwandeln.

Frage: Überrascht es Sie überhaupt
noch, was gerade in der Türkei passiert?

Dündar: Nein, denn wir wissen ja: Erdoğan sieht sich als Staatschef, der auf dem Weg zu einem
totalitären Regime keine kritischen Stimmen zulassen wird. Dass er sich auf die Cumhuriyet als eine der
wichtigsten Widerstandsbastionen stürzen würde, war uns klar. Wir haben uns darauf eingestellt und sehen ja, dass
trotz der verhafteten Journalisten, die Zeitung Cumhuriyet weiter erscheint. Offene Stellen haben wir mit
neuen Journalisten besetzt.

Frage: Können Sie
sich erklären, wie es soweit kommen konnte?

Dündar: Wir sind schon sehr lange über die Lage in der Türkei und vor allem über die
Arbeitsbedingungen von Journalisten besorgt. Trotzdem ist es uns leider nicht gelungen, eine demokratische Front
gegen die Regierung zu bilden. Wir haben es auch nicht geschafft, Europa unsere dramatische Lage zu erklären.

Frage: Den festgenommenen und inzwischen auch zum Teil in U-Haft
sitzenden Journalisten der Cumhuriyet wird die Unterstützung der Gülen-Bewegung und der verbotenen
Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Was sagen Sie dazu?

Dündar:
Die Cumhuriyet hat in den vergangenen 40 Jahren immer wieder kritisch über die Bewegung von Fethullah Gülen
berichtet. Als wir auf die Gefahren hinwiesen, stand Erdoğan noch Seite an Seite mit der Bewegung. Wenn wir von
Fethullah Gülens größtem Unterstützer reden, dann ist das Recep Tayyip Erdoğan.

Frage: Wie viel regierungskritische Presse gibt es überhaupt
noch?

Dündar: Nicht mehr als zwei bis drei
Zeitungen und einen TV-Sender. Die werden jetzt das nächste Ziel der Regierung sein.

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