Jeder Parteitag braucht ein Ventil, heißt es oft. Die CDU findet ihr Ventil am zweiten Tag des Parteitags gleich ganz zu Beginn. Es trägt die Antragsnummer C29 und wurde eingebracht von der Jungen Union. „Optionspflicht wieder einführen“, so der Titel.

Das klingt trocken, doch für die CDU handelt es sich dabei um ein wichtiges Symbolthema. 2014 hatte die große Koalition beschlossen, dass sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Bedingungen nicht mehr, wie bis dahin üblich, für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen. In der CDU sahen viele in dieser Regelung geradezu ein Symbol für die rot-grüne Einfärbung eigener Positionen.

Innenminister Thomas de Maizière und Generalsekretär Peter Tauber werben auf dem Parteitag eindrücklich dafür, bei diesem Kompromiss zu bleiben. Grundsätzlich gebe es keine doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland, sagt de Maizière. Schon immer habe es von diesem Prinzip aber Ausnahmen gegeben, etwa für für amerikanische oder EU-Staatsbürger. Diese Ausnahmen habe die große Koalition lediglich etwas erweitert.

Tauber wird grundsätzlicher. Natürlich wünsche man sich von Menschen, die dauerhaft hier lebten, ein Bekenntnis zur deutschen Staatsbürgerschaft, sagt er. Doch dieses Bekenntnis sei noch wertvoller, wenn es auf Freiwilligkeit basiere. Man müsse sich „auch ein Stück weit ehrlich machen“. Die Optionsregelung, die die Delegierten sich nun zurückwünschten, habe auch nicht zu einer besseren Integration geführt.

De Maizière gibt außerdem zu bedenken, dass es keinen Koalitionspartner gebe, mit dem man die erneute Einführung eines Optionsmodells beschließen könne. Doch das interessiert die Delegierten nicht. Viel Beifall bekommt dafür CDU-Vize Jens Spahn. Man sei hier auf einem CDU-Parteitag, ruft er den Delegierten zu. „Hier geht es um CDU-Positionen.“

Mit 51,5 Prozent der Stimmen plädiert die CDU schließlich für die Wiedereinführung einer Optionspflicht bei der doppelten Staatsbürgerschaft. Gegen den ausdrücklichen Willen der Parteispitze. Sie halte diesen Beschluss für falsch, sagt Merkel wenig später in einem Interview. In dieser Legislaturperiode werde er nicht mehr umgesetzt. Auch im Wahlkampf solle er keine zentrale Rolle spielen. Fraktionschef Volker Kauder formuliert es vorsichtiger. Der Parteitag könne nicht erwarten, dass jede Positionsbestimmung auch sofort Gesetz werde, mahnt er.

Unmut lässt sich nicht unterdrücken

Viel war vor dem Parteitag die Rede davon, dass dies eine langweilige Veranstaltung werde. Schließlich gilt die CDU als ausgesprochen disziplinierte Partei. 2017 ist Bundestagswahl. Offener Streit oder ein schlechtes Ergebnis für die Vorsitzende schienen da nicht angesagt. Doch nun zeigte sich: Der Unmut, der sich im vergangenen Jahr angesichts von Merkels Flüchtlingspolitik, mehreren verlorenen Landtagswahlen und einer erstarkten AfD angesammelt hat, lässt sich doch nicht ganz unterdrücken. Merkels harsche Absage an den Parteitagsbeschluss dürfte die Stimmung nicht heben.

In Maßen war der aufgestaute Ärger auch schon bei der Wiederwahl der Parteivorsitzenden am Tag zuvor deutlich geworden. Zwar hatte Merkel mit 89,5 Prozent kein desaströses, aber eben doch das zweitschlechteste Ergebnis in ihrer 16-jährigen Laufbahn als CDU-Vorsitzende erhalten.

Die Sehnsucht nach mehr Profil prägt aber auch den Leitantrag, den die CDU am Mittwoch verabschiedete. Schon vor Beginn des Parteitags hatte die CDU-Spitze auf Drängen des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl in letzter Minute die geforderten Maßnahmen zu Abschiebungen deutlich verschärft. Zuvor war der allgemeine Satz, dass es bei der Flüchtlingskrise nie wieder eine Situation geben dürfe wie 2015, um den Hinweis ergänzt worden, dass man notfalls auch Transitzonen für Flüchtlinge einführen werde.

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