Es kommt eher sehr selten vor, dass führende Politiker in China die Vereinigten Staaten wörtlich nennen. Xi Jinping, der Vorsitzende der dort herrschenden Kommunistischen Partei (KP), hat das gerade getan, wenn auch nicht öffentlich: „Insbesondere die westlichen Länder, angeführt von den USA, verfolgen eine umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas.“ Die Bemerkungen waren Teil einer Rede, die Xi vor einer ausgewählten Gruppe der sogenannten Konsultativkonferenz hielt, einem beratenden Gremium, das parallel zum Nationalen Volkskongress tagt, der gerade stattfindet.
Der Ausspruch wurde von der staatlich kontrollierten Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlicht, was bedeutet, dass er eine Mitteilung transportieren soll. Dass die USA jetzt namentlich genannt werden, dürfte zum einen die Frustration Xi Jinpings persönlich über die sehr chinakritische Politik der Regierung von Joe Biden spiegeln und so die sich gegenseitig verstärkende Negativ-Rhetorik in der Außenpolitik beider Staaten verstärken.
Die Eskalationsspirale dreht um Chinas autoritäre Expansion und die Reaktionen der USA, ihren globalen Einfluss dennoch aufrechtzuerhalten. Bidens Regierung tut das gerade durchaus erfolgreich mit alliierten und mehr oder weniger befreundeten Staaten. Das hat auch damit zu tun, dass geopolitischer Einfluss am Ende gute Geschäfte für amerikanische Unternehmen absichert.
Die Explizitheit, mit der die USA hier von Xi beim Namen genannt würden,
sei schon neu, sagt die Sinologin Marina Rudyak auf einer
Informationsveranstaltung des Berliner Fachnewsletters China.Table. Der
Vorwurf an die USA, China einhegen zu wollen, sei es jedoch nicht. Das
drücke sich beispielsweise häufig in dem Vorwurf aus, die USA sollten
nicht in ein Kalte-Kriegs- und Block-Denken verfallen, sagt Rudyak.
Xi stellt sich auf mehr Konfrontation ein
Die Interessen der USA und Chinas stoßen heute bei einer Vielzahl von Konflikten aufeinander. Das ist vor allem der Anspruch Chinas auf das demokratisch regierte Taiwan (das aber nie zur Volksrepublik gehört hat). Es ist Chinas politische Rückendeckung für Wladimir Putins Krieg in der Ukraine. Und es ist der selbst erklärte Anspruch auf fast das gesamte Südchinesische Meer, einer der wichtigsten Handelsstraßen der Welt. Um die globale Technologieführerschaft beizubehalten und potenzielle militärtechnische Fortschritte Chinas auszubremsen, verhängt die Biden-Regierung zudem Exportverbote für anspruchsvolle Halbleitertechnik und Fertigungsanlagen nach China.
Die Mitteilung über Xis wörtliche Kritik am Westen und den USA ist damit ein weiterer Tiefpunkt im Verhältnis der beiden Mächte. Darauf verweist auch, dass Chinas neuer Außenminister Qin Gang bei seiner ersten Pressekonferenz am Dienstag in Peking vor „katastrophalen Folgen“ warnte, würden die USA „nicht auf die Bremse treten, sondern weiterhin den falschen Weg verfolgen“. Das Außenministerium Chinas führt keine eigenständige Politik, sondern ist ausführender Arm politischer Direktiven der KP-Führung, also am Ende auch von Xi selbst.
Die deutlichen Worte aus der KP-Führung zeigen, dass Xi sich auf mehr Konfrontation zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt einstellt. Und deswegen sind die Signale aus Peking mit hoher Wahrscheinlichkeit auch primär an das eigene Publikum gerichtet. Zum einen kann es helfen, von krassen Fehlentwicklungen abzulenken. Zum Beispiel, dass das abrupte Abbrechen der Corona-Beschränkungen Glaubwürdigkeit kostet, da die KP zuvor fast drei Jahre lang ihre Eindämmungsstrategie feiern ließ. Diese hat Wirtschaftswachstum gekostet und musste von den Kommunalverwaltungen bezahlt werden, deren Budgets jetzt ausgezehrt sind und die jetzt sparen müssen.
Vor allem aber werden sich Xis Worte an die 90 Millionen Mitglieder der Kommunistischen Partei richten. Denn in allen Reden des Parteichefs komme seine Überzeugung zum Vorschein, dass die USA und der Westen die KP stürzen, das sozialistische System und die Kommunistische Partei zerstören wollten, sagt Sebastian Heilmann von der Universität Trier, ein Kenner Chinas und der Geschichte der KP. Wenn also der Chef-Kader Xi Jinping die Vereinigten Staaten beim Namen nennt, soll der Antagonismus zu den USA die Reihen schließen. Und soll die Schuld an Fehlentwicklungen auf den Westen verlagern. Das steht hinter den konfrontativen Worten aus der KP-Zentrale.
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