Für den CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel war die kurzzeitige Trennung von CSU und CDU im Bundestag vor 40 Jahren ein Fehler. Diese Einschätzung hat der 77-Jährige schon 1976 vertreten.

Doch er ist nach eigenen Worten im Nachhinein froh, dass der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß bei seiner Gegenrede während der ersten CSU-Klausur in Wildbad Kreuth nicht dabei war, wie er im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt.

Frage: Welche Erinnerungen haben Sie an den «Geist von Kreuth»?

Antwort: Das war eine einmalige Geschichte, die 1972 und 1976 eine Rolle gespielt hat. Viele wissen ja gar nicht, dass Strauß schon 1972 einen ersten Versuch mit einer kleinen Gruppe von Vertrauten starten wollte. Damals hat sich aber bald herausgestellt, dass er nur wenig Unterstützer finden konnte. Dabei waren die Wahlergebnisse 1972 für die Union noch viel dramatischer als vier Jahre später. Wir waren sogar hinter die SPD zurückgefallen. Es sah wirklich düster aus.

Frage: Und wieso konnte Strauß es dann 1976 doch umsetzen, immerhin hatte die Union unter Kohl ein besseres Wahlergebnis erreicht?

Antwort: Weil es wieder nicht gereicht hatte, die Mehrheit zu holen. Kreuth begann nicht mit dem Willen, einen Trennungsbeschluss zu fällen. Anfangs gab es viele Kritiker, doch die wurden von Strauß im Laufe der Sitzung stärker attackiert. Ich selbst habe am nächsten Morgen in Abwesenheit von Strauß – er hatte sich verspätet – gegen eine Trennung gesprochen, wie schon 1972. Denn der Trennungsverlust, da war ich mir sicher, wäre zu groß. Zwei Unionsparteien nebeneinander, mit fast deckungsgleichen Inhalten und Zielen, das funktioniert nicht. Die Theorie vom getrennten Marschieren und gemeinsamen schlagen ist in der Praxis nicht möglich, eine Illusion.

Frage: War das Thema nach 1976 endgültig vom Tisch?

Antwort: Nein, 1990 gab es Überlegungen in der CSU. Es ging um die Ausdehnung nach Sachsen und Thüringen, auch das habe ich abgelehnt.

Frage: Wer ist denn im Rückblick der Gewinner der Revolte von 1976?

Antwort: Niemand. Die Diskussion hat der Union insgesamt nicht genützt, sie bedeutete Abnutzungen für CDU-Chef Helmut Kohl wie Strauß. Es gab einfach keinen Sieger. Für Kohl bedeutet sie, dass er auf seine Kanzlerkandidatur 1980 verzichtete, Strauß konnte 1980 als Kanzlerkandidat gegen Helmut Schmidt (SPD) nicht gewinnen. Am Ende hatte Kohl den längeren Atem und konnte dann auch Kanzler werden.

Frage: Warum ist der «Geist von Kreuth» aber dennoch in der CSU so ein positiv besetzter Mythos?

Antwort: Ein Mythos lebt von der Erinnerung. Es sind noch immer viele Fragen offen und wir verbliebenen Zeitzeugen wissen, dass so manches von dem, was dazu gesagt wird, nicht stimmt. So ist etwa bis heute nicht geklärt, wer Kohl über den Beschluss informiert hat. Was in Kohls Biografie darüber steht, kann nicht stimmen.

Frage: Also hat die CSU sich am Ende geschadet?

Antwort: Nein. Die CSU konnte weiterhin selbstbewusst auftreten, die Stellung der Landesgruppe in der Unionsfraktion hat sich verbessert. Das tatsächliche Renommee der CSU im Bund hängt aber immer von den jeweiligen Spitzenpolitikern ab.

Frage: Was kann die CSU daraus lernen?

Antwort: Die Strategie der Trennung war damals falsch und sie ist es heute noch. Die CSU braucht ihren einzigartigen Status aus Bayern für den Bund und Europa, für ihre einzigartige Politik innerhalb und außerhalb Bayerns.

Zur Person: Theo Waigel ist seit 1960 Mitglied der CSU, seit 2009 ist er Ehrenvorsitzender. Der frühere Bundesfinanzminister arbeitet inzwischen in einer Münchner Anwaltskanzlei. Von 1971 bis 1975 war er Landesvorsitzender der Jungen Union in Bayern, seit 1983 ist er Mitglied im CSU-Präsidium. Von 1988 bis 1999 war Waigel CSU-Chef. Er ist in zweiter Ehe verheiratet und hat insgesamt drei Kinder.

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