Hamburg – In der „Cum-Ex“-Affäre nimmt der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz vor seiner erneuten Aussage vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zu. Er wird dort am Freitag zum zweiten Mal als Zeuge vernommen.
Der Obmann der oppositionellen CDU im Ausschuss, Richard Seelmaecker, forderte den Rücktritt von Scholz und Hamburgs Bürgermeister (beide SPD). Beide hätten 2016 politischen Einfluss auf die Behandlung der in die „Cum-Ex“-Affäre verwickelten Warburg Bank genommen, um das Geldhaus vor hohen Steuerrückforderungen zu bewahren, sagte Richard Seelmaecker dem „Spiegel“. „Beide müssen zurücktreten“, sagte er auch der dpa.
Hintergrund sind Treffen des damaligen Bürgermeisters Scholz mit den Gesellschaftern der Bank, Christian Olearius und Max Warburg, 2016 und 2017. Nach den ersten Treffen im Rathaus hatte Scholz den Bankern laut Aussage von Olearius empfohlen, ein Schreiben an den damaligen Finanzsenator Tschentscher zu schicken, in dem die Bank die Rückforderung von 46 Millionen Euro zu unrecht erstatteter Kapitalertragssteuer als ungerechtfertigt dargestellt hatte.
Tschentscher hatte das Schreiben mit der „Bitte um Informationen zum Sachstand“ an die Finanzverwaltung weitergereicht, wo man sich kurze Zeit später entgegen ursprünglichen Plänen entschloss, die Forderung in die Verjährung laufen zu lassen.
Tschentscher nennt Vorwurf einer Einflussnahme „haltlos“
Tschentscher hatte die Weiterleitung des Schreibens vor dem Ausschuss bestätigt. Den Vorwurf einer Einflussnahme bezeichnete er aber als „haltlos“. Scholz, der die Treffen mit den Bankern eingeräumt hat, sich an den Inhalt der Gespräche aber nach eigenen Angaben nicht mehr erinnern kann, bestreitet ebenfalls jede Einflussnahme.
Für ihn sei klar: „Scholz lügt“, sagte Seelmaecker dem „Spiegel“. Die vom Kanzler angeführten Erinnerungslücken nannte er „schlichtweg ausgeschlossen“.
Dass die Erinnerungslücken vorgeschoben seien, werde auch aus dem vom „Stern“ veröffentlichten Protokoll einer als geheim eingestuften Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages deutlich, demzufolge Scholz noch im Juli 2020 ein Treffen mit den Warburg-Gesellschaftern eingeräumt, dessen Bedeutung aber heruntergespielt habe, sagte Seelmaecker der dpa. „Und bei uns im Ausschuss konnte er sich plötzlich nicht mehr daran erinnern.“
„Diesmal nicht sagen können, das ist geheim“
Er werde Scholz am Freitag noch einmal damit konfrontieren, kündigte er an. „Und er wird diesmal nicht sagen können, das ist geheim.“ Vor dem Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft würden die Zeugen von den Vertretern der Gesellschafter und der Bank für die Dauer der Vernehmung vom Steuergeheimnis befreit. „Damit entfällt dann auch der Grund zu Geheimhaltung für die Angaben im Finanzausschuss des Bundestages“, sagte er.
Auch der Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick, sagte, „dass es wahrscheinlich eine Falschaussage des Kanzlers vor dem Finanzausschuss gab“. Er sieht durch die parlamentarischen und journalistischen Recherchen ebenfalls belegt, dass es in Hamburg „eine erfolgreiche Einflussnahme durch reiche Banker auf die Politik gab“.
Schick forderte Tschentscher ebenfalls zum Rücktritt auf. Indem er das Verteidigungsschreiben der Bank in die Finanzverwaltung weiterleitete, habe Tschentscher „das Verfahren an sich gezogen“, sagte er. „Er hat die Argumente der Bank, obwohl sie der Verwaltung schon vorlagen, noch mal an die Beamten geschickt. Das ist (…) ganz klar als Einflussnahme – als Hinweis, diese Argumente müssen berücksichtigt werden – zu verstehen.“
„Untersuchungsausschuss wurden wichtige Informationen vorenthalten“
Auch für den Linken-Obmann Norbert Hackbusch ist die Zeit des „Durchmogelns von Scholz & Co.“ endgültig vorbei. „Es steht im Raum, dass dem Untersuchungsausschuss wichtige Informationen vorenthalten wurden.“ Ein entsprechender Verdacht geht Angaben aus dem Ausschuss zufolge aus den von der Staatsanwaltschaft Köln übermittelten Ermittlungsakten hervor. „Sollte sich dieser Verdacht erhärten, wäre das ein weiterer, gravierender Skandal“, sagte Hackbusch.
SPD-Obmann Milan Pein wies darauf hin, dass sich die Vorwürfe bislang im Ausschuss nicht bestätigt hätten. Über 50 Zeugen und Zeuginnen aus unterschiedlichen Ämtern, Behörden und Abteilungen hätten „unabhängig voneinander sehr deutlich gemacht, dass es keine politische Einflussnahme auf das Steuerverfahren der Warburg Bank gegeben“ habe. Alle Zeugenaussagen deckten sich auch mit den Vermerken, Berichten und Entscheidungsvorlagen der Finanzbehörde und des Finanzamtes.
Beim grünen Koalitionspartner sieht man angesichts der in den vergangenen Tagen bekanntgewordenen Hinweise noch Klärungsbedarf. Scholz habe nun die Gelegenheit, „die angesprochenen Ungereimtheiten nicht einfach nur als Teil von unbewiesenen Beeinflussungsversuchen dastehen zu lassen, sondern mitzuhelfen, ein genaueres Bild der damaligen Ereignisse zu zeichnen“, sagte Grünen-Obmann Farid Müller der dpa.
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