die dritte Runde der Brexit-Verhandlungen geht heute in Brüssel zu Ende. Die Gespräche waren, man kann das nicht anders sagen, ein Desaster für die Briten. Zwar haben ihre Unterhändler mehr als ein Dutzend Grundsatzpapiere veröffentlicht, sie blieben in den Gesprächen aber vage und planlos. Nicht einmal zur Höhe des Austrittsbeitrags, den Großbritannien schuldet, konnten sie konkrete Zusagen machen. Die britische Regierung ist sich bei entscheidenden Fragen selbst uneins – und glaubt zugleich immer noch, entscheidende Vorteile der EU-Mitgliedschaft behalten zu können. Es zeigt sich eine seltsame Mischung aus Dilettantismus und Selbstüberschätzung.
Die Briten leben in der irrigen Annahme, der Rest Europas sei ebenso obsessiv mit ihrem Austritt beschäftigt, wie sie selbst. Es bestätigt sich immer mehr, dass der Brexit Ausdruck einer nationalen Identitätskrise ist; dass es für den Austritt aber keine konkrete politische Idee gibt. Die jüngsten Verhandlungen verliefen offenbar so unbefriedigend, dass die nächste Runde im Oktober gefährdet ist. Das sagte Nikolaus Meyer-Landrut, der deutsche Botschafter in Paris und frühere EU-Berater von Angela Merkel, laut einem Bericht des „Guardian“ bei der französischen Botschafterkonferenz. Er fuhr fort: „Die Krise in diesen Verhandlungen liegt für mich nicht hinter uns, sie liegt vor uns.“
Premierministerin Theresa May ist heute zudem in Tokio, um mit ihrem Kollegen Shinzo Abe über ein mögliches Freihandelsabkommen zu reden. Doch auch die britische Idee, anstelle einer EU-Mitgliedschaft mit aller Welt Handelsabkommen zu schließen, trägt bisher wenig Früchte.
Macrons Arbeitsmarktreform
Dies ist ein wichtiger Tag für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dessen Beliebtheitswerte seit seinem Wahlsieg im Mai rekordschnell gefallen sind. Sein Premierminister Édouard Philippe wird heute Mittag die Arbeitsmarktreform des Präsidenten vorstellen, dessen wichtigstes und umstrittenstes Vorhaben. Das französische Arbeitsrecht ist äußerst starr und mitschuldig an der strukturellen Massenarbeitslosigkeit im Land. Das Parlament hat der Regierung eine Vollmacht erteilt, die Änderungen per Dekret anzuordnen. Dennoch sind im September Proteste von Gewerkschaften zu erwarten – wie massiv sie ausfallen werden, hängt auch von den Details ab, die heute vorgestellt werden.
In einem Interview mit der Zeitschrift „Le Point“ verteidigt Macron den holprigen Start in seine Präsidentschaft und versprach, die Arbeitsmarktreform werde so „tiefgreifend“ sein, dass er sich für den Rest seiner Amtszeit nicht mehr mit dem Thema befassen werden müsse. Man kann dem Mann nur weiterhin viel Erfolg bei seinem Unterfangen wünschen, Frankreich zu reformieren.
SPIEGEL live mit Sigmar Gabriel
Außenminister Sigmar Gabriel versuchte gestern Abend bei einem SPIEGEL-live-Gespräch an der Ericusspitze in Hamburg, die Frage zu beantworten, warum der deutsche Wahlkampf eigentlich so langweilig ist. Die Menschen, sagte Gabriel, seien bisher im Sommerurlaub gewesen. Erst kurz vor der Wahl befassten sich viele Bürger mit Politik. Der andere Grund für den ruhigen Wahlkampf sei, dass das Land „mit Blick auf andere Länder in der Welt ja in ziemlich guter Verfassung“ sei und das führe eher zu einem „Stabilitätswahlkampf“. Seine Sorge sei, dass eine zu große Sicherheit darüber herrsche, dass in Deutschland auch in Zukunft „alles so bleibt, wie’s ist“.
Gabriel wies den Vorwurf zurück, dass er Kanzlerkandidat Martin Schulz die Schau stehle und sagte auf die Frage nach einer rot-roten Koalition auf Bundesebene: Die Linke müsse „in sich mal eine Entscheidung treffen“, welche Partei sie eigentlich sei – „die von Dietmar Bartsch oder die von Sahra Wagenknecht. Wenn die diese Frage beantworten, dann können wir als Sozialdemokraten sagen, man kann mit denen regieren oder nicht regieren.“ Das ganze Gespräch können Sie sich hier ansehen.
Gerhard Schröders selbstgerechter Auftritt
Mein Kollege Maximilian Holscher hat am selben Abend Altkanzler Gerhard Schröder bei einem Wahlkampfauftritt für die SPD im niedersächsischen Rotenburg beobachtet. Schröder gab sich in Bezug auf seine künftige, äußerst umstrittene Position als Aufsichtsrat des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft störrisch. Seine Haltung lässt sich in dem Satz zusammenfassen: „Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich – und nicht die deutsche Presse.“ Lesen Sie den ganzen Bericht hier.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
- Überschwemmungen in Texas: „Harvey“ wird schwächer – und extrem teuer
- USA haben mehr Soldaten in Afghanistan als bisher bekannt
- Guttenberg zu Plagiat: „Irgendwann auch mal gut“
Verliererin des Tages…
… ist Aung San Suu Kyi. Die Friedensnobelpreisträgerin enttäuscht die großen Hoffnungen, die nach dem Wahlsieg ihrer Partei 2015 in sie gesetzt wurden. Aus rechtlichen Gründen kann sie nicht Präsidentin werden, faktisch ist sie aber die politische Anführerin Myanmars. Und angesichts des Dramas der muslimischen Minderheit der Rohingya hat sie in dieser Rolle versagt: Die Rohingya werden in Myanmar seit Jahrzehnten verfolgt und ausgegrenzt, sie werden von radikalen Buddhisten und der Armee gejagt, erhalten die Staatsbürgerschaft nicht und müssen oft in Camps leben – nun kam es zu Ausschreitungen gegen das Militär, mindestens 18.000 Rohingya sind in der Folge in das benachbarte Bangladesch geflohen. Suu Kyi hat die Not der Minderheit seit Jahren heruntergespielt, vermutlich mit Rücksicht auf die Mehrheitsmeinung im Land und um keine Konfrontation mit der Armee zu riskieren, doch nun gerät die Situation außer Kontrolle. Und die einstige Freiheitsikone schweigt weiterhin.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Herzlich,
Ihr Mathieu von Rohr
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