Football Leaks, die dritte Woche. Seit dem 2. Dezember, 21 Uhr, beleuchten wir die Welt des Profifußballs von innen. Wir zeigen die Auswüchse, zeigen vor allem aber eine Normalität, die inzwischen alles andere als ebendies ist. Nein, Spielerberater, die dem Präsidenten von Real Madrid auf Fisher Island vor Miami Frauen zuführen wollen, um einen Transfer in die Wege zu leiten, sollten nicht normal sein. Osteuropäische Organisationen, die den Fußball so verstehen wie den Drogenhandel oder die Prostitution, sollten auch nicht normal sein.

Diesmal beschreiben wir (und „wir“, das sind bei diesem Projekt der SPIEGEL und seine Partner im Investigativnetzwerk EIC), wie großzügig selbst Durchschnittsspieler entlohnt werden, wie zuckersüß beispielsweise das Leben eines Ersatztorwarts des FC Bayern ist. Wir erzählen von der Firma Doyen, welche die Branche erobert hat. Wir berichten von Herren namens Trump und Erdogan, denn auch diese zwei tauchen in den Dokumenten auf.

Was lernen wir aus all dem? Die Fußball-Welt ist ein geschlossenes System. Alle, die Teil davon sind, haben etwas davon: Geld, Ruhm, Annehmlichkeiten der diversesten Spielarten. Nur wenige innerhalb des Systems nehmen dessen Pervertierungen noch wahr, die meisten dort drinnen halten es für selbstverständlich, dass wir alle, die Fans, Liebhaber, Kunden und Medien, das System finanzieren und bejubeln. Doch so selbstverständlich ist das nicht.

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Seit ich ungefähr zehn Jahre alt war (und aus Anlass eines Kindergeburtstags die für mich atemberaubend aufregende Redaktion der „Westfälischen Nachrichten“ besuchen durfte), wollte ich nie etwas anderes als Reporter werden. Als junger Journalist bewunderte ich dann SPIEGEL-Reporter wie Jürgen Leinemann und Cordt Schnibben. Heute bewundere ich Christoph Reuter. Der Kollege berichtet seit vielen, vielen Jahren aus der arabischen Welt, erklärt den Irak, Afghanistan, Syrien, fährt hin, so oft es nur geht, bleibt neugierig, will verstehen und dann erklären; und fesselnd schreiben kann er auch noch.

Aleppo. Welche Worte gibt es eigentlich noch für das, was dort geschieht, unter unser aller Augen?

Reuter war im Mai 2015 der letzte deutsche Journalist im Osten der Stadt, seither hielt er viele Kontakte, und nach und nach wurden es weniger. Für seine Geschichte im neuen SPIEGEL hat unser Reporter per Skype mit einem Arzt, einem Fotografen und einem Lehrer gesprochen. „Es quält mich, jemandem zuhören zu müssen, der sterben wird, falls er den einmarschierenden Bodentruppen in die Hände fällt“, sagt Christoph Reuter.

Im Video: Christoph Reuter über die Evakuierung Ost-Aleppos

Auch die Titelgeschichte geht uns alle an, denn zum Leben gehört, leider, dass irgendwann wohl jeder Mensch erkrankt. Was geschieht in deutschen Krankenhäusern? Was richten vor allem Rendite-Erwartungen privater Klinik-Konzerne an? Isabell Hülsen, Kristina Gnirke und Martin U. Müller haben mit Patienten, Krankenschwestern, Pflegern und Ärzten gesprochen, haben Akten und interne Mails eingesehen und beschreiben nun am Beispiel der Asklepios-Kliniken die Welt der modernen Medizin von innen. „Ärzte werden am Gewinn gemessen, Schwestern und Pfleger als Kostenfaktor und Patienten als Fallpauschale betrachtet“, sagt Isabell Hülsen.

Und außerdem beschreibt Marc Hujer Wirken und Streben des Justizministers Heiko Maas. Tobias Rapp besucht Götz Kubitschek, den Denker der neuen Rechten. Und die Kollegen und Kolleginnen des Deutschland-Ressorts nehmen sich gleich zwei Fälle vor, die zeigen, wie heikel Migration und Integration sind – und was, leider, schiefgehen kann. Was ist in Köln wirklich passiert in jener Silvesternacht 2015, und, vor allem, was lernen wir daraus? Wie konnte es geschehen, dass ein junger Flüchtling in Griechenland wegen versuchten Mordes verurteilt wird und wenig später, in Freiburg, mutmaßlich zum Vergewaltiger und Mörder wird – und, erneut, was lernen wir daraus?

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Während ich diese Zeilen schreibe, denke ich darüber nach, ob das neue Heft im Streben nach Aufklärung womöglich allzu dunkel geraten ist. Doch nein: Ramses II. in der Wissenschaft… die Schauspielerin Marion Cotillard in der Kultur… und vieles, vieles mehr bereitet Ihnen hoffentlich auch pures Vergnügen.

Die Nachrichten der Nacht

  • Jahresend-Pressekonferenz: Obama warnt die Welt – und Trump – vor Putin
  • Polen: Demonstranten blockieren Parlament – Spitzenpolitiker sitzen fest
  • Türkei: Bus-Explosion – Berichte über Tote und Verletzte

Verlierer des Morgens…

…ist Mesut Özil. Der Mittelfeldmann von Arsenal London spielt begnadet Fußball, ich liebe es, ihm zuzusehen, an jenen Tagen jedenfalls, wenn er Lust auf seinen Beruf hat. Özil lebt von der Öffentlichkeit, ist durch die Öffentlichkeit zunächst reich und dann schwerreich geworden. Die Berichterstattung über Mesut Özil aber hat wohl ausschließlich bewundernd zu sein; denn nachdem eben auch Mesut Özil auf unschöne Weise in den Football-Leaks-Dokumenten aufgetaucht war (SPIEGEL 49/2016), möchte er nun den gesamten Text samt Titelbild verbieten lassen und hat auch beim Landgericht Berlin tatsächlich eine Unterlassungsverfügung erwirken können. Alles Privatsache, hatte er mitteilen lassen. Wir sehen das anders, wir glauben, die Steueraffäre eines Fußballweltmeisters liegt im öffentlichen Interesse. Deshalb werden wir sämtliche Rechtsmittel einlegen. Welches Selbstverständnis aber ist tatsächlich noch normal, und wie viel Hybris ist denkbar auf dem Planeten Fußball?

Ihnen wünsche ich viel Freude bei der SPIEGEL-Lektüre und einen schönen vierten Advent, herzlich

Ihr

Klaus Brinkbäumer

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