Von Karl Schlieker
DEBATTE Bundesratspräsidentin Malu Dreyer fordert im Kampf gegen Populismus mehr Bürgerbeteiligung
WIESBADEN – Mehr Bürgerbeteiligung, mehr direkte Gespräche mit Wählern, mehr Sozialpolitik – diesen Dreisatz hat die Bundesratspräsidentin Malu Dreyer als Reaktion auf den grassierenden Populismus in der Politik empfohlen. Die Einführung eines Volksentscheids auf Bundesebene sieht die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin als einen Weg, die Menschen mehr einzubeziehen. „Wir sollten einen Schritt nach vorne gehen“, sagte Malu Dreyer auf dem „Demokratielunch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Wiesbaden. Die Warnung der ARD-Moderatorin Anja Reschke vor zu komplexen Themen, die sich nicht für Ja-Nein-Abstimmungen eignen, überzeugt die SPD-Politikerin nicht. Dann müßten eben die Voraussetzungen für eine tiefe Information der Bürger geschaffen werden. Das direkte Gespräch suchen. Kein Termin als Bundesratspräsidentin ohne Kontakt zu jungen Leuten. Häuser-Wahlkampf. Dreyer will erkunden, was die Leute umtreibt. „Das Gefühl nicht gehört zu werden, ist ebenso weit verbreitet, wie die Angst, abgehängt zu werden.“ Darauf müsse die Politik reagieren. Dazu gehöre auch, darauf zu achten, dass die Gesellschaft nicht sozial und ökonomisch auseinanderdriftet.
„Grundwerte gegen Ideologen verteidigen“
Den ideologischen Hardlinern will die SPD-Politikerin dagegen klar entgegentreten. Wer wie die AfD-Funktionäre völkisches Gedankengut predige und Anfragen mit rassistischen Hintergrund im Landtag stelle, „der teilt nicht die Grundwerte, die ich habe“. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin hatte im Wahlkampf eine gemeinsame TV-Diskussion mit der AfD verweigert. Nach deren Wahl in den Mainzer Landtag, setze sie sich nun auch direkt mit ihnen auseinander.
Die Gesellschaftsfähigkeit von völkischen Positionen bedeutet für Malu Dreyer einen dramatischen Abstieg der Gesellschaft. „Wir beobachten eine Normalisierung von Begriffen, die vor fünf Jahren in der Öffentlichkeit nie genutzt worden wären.“ Sprache könne gewalttätig wirken. „Tabugrenzen sind durchbrochen“, stimmt Anja Reschke zu. Die TV-Moderatorin hatte auf einen kritischen Kommentar zur Flüchtlingspolitik neben zustimmenden Reaktionen auch eine wüste Hasswelle erlebt. Übelste Beschimpfungen inklusive Todes-Drohungen schockten sie. „Niemals hätte ich gedacht, dass so viele Grundwerte wieder neu verhandelt werden müssen.“
Bundesratspräsidentin Malu Dreyer ist trotzdem optimistisch. Sie freut sich jedenfalls auf den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr. Parteien müssten sich über ihre grundsätzlichen Ziele klar werden und diese dann direkt auf der Straße vertreten. Anja Reschke ist dagegen eher skeptisch. Ihr bleibt die Hoffnung, dass Deutschland keinen derart aggressiven und schmutzigen Wahlkampf erlebt wie in den USA.
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