Immer mehr Mädchen streben bestimmte bei Jungs beliebte Ausbildungsberufe an – und umgekehrt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat eine Auswertung der abgeschlossenen Ausbildungsverträge beider Geschlechter für die Jahre 2016 bis 2018 vorgelegt.
Die Statistik deutet daraufhin, dass sich die klassische Rollenverteilung bei der Wahl des Ausbildungsberufs zu ändern beginnt – allerdings eher langsam. Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatten zuerst darüber berichtet.
So wollen Mädchen zum Beispiel immer öfter Fachinformatikerin werden. Zwischen 2016 und 2018 ist der Beruf in der Beliebtheitsliste bei den Mädchen von Platz 41 auf Platz 33 geklettert. Auch der weiterhin unangefochtene Lieblingsjob bei jungen Männern, Kraftfahrzeugmechatroniker (früher Kfz-Mechaniker), ist bei den jungen Frauen in der Beliebtheit gestiegen und hat sich in der Rangliste von Platz 43 auf Platz 36 vorgeschoben. Umgekehrte Beispiele gibt es auch: Mehr Jungen entscheiden sich dafür, zahnmedizinischer Fachangestellter zu werden (von Rang 131 auf Rang 113) oder Friseur (von Rang 41 auf 35).
Aus Sicht des DIHK ist diese Entwicklung auch wegen des Fachkräftemangels wichtig. Die Unternehmen könnten bei der Fachkräftesicherung auf sich wandelnde Rollenbilder hoffen, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. «Die Berufsvorstellungen von Jugendlichen ändern sich zwar langsam, aber sie ändern sich.»
Gebremst werde die Entwicklung aber dadurch, dass immer noch zu viele junge Männer und Frauen nur die Top 10 der Ausbildungsberufe kennen. «Dabei können die jungen Leute zwischen Hunderten von Ausbildungen wählen», sagte Dercks. Zu oft folgten Jugendliche jedoch Klischees und schränkten deswegen ihre Berufswahl ein. In der Auswertung des Verbands sind mehr als 300 Berufe aufgelistet, von manchen dürften die wenigsten schon mal gehört haben: Schifffahrtskaufmann/-frau zum Beispiel oder Geomatiker/-in und Süßwarentechnologe/-in.
Bei der Veränderung von geschlechtsspezifischen Vorlieben für Studium und Beruf brauche man einen langen Atem, sagte ein Sprecher des Bundesbildungsministeriums der Deutschen Presse-Agentur. «Das klischeebehaftete Abstempeln von Berufen mit überkommenen Geschlechtsrollen ist Denken von gestern. Das muss immer weiter aktiv abgebaut werden.» Der Sprecher verwies auf die Initiative «Klischeefrei», in der sich fast 200 Partner aus Bildung, Politik, Wirtschaft und Forschung gemeinsam für eine Berufswahl frei von Geschlechterklischees einsetzten.
Die Betriebe müssten mehr tun, forderte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack, laut einer Mitteilung. «Damit junge Menschen ihre individuellen Kompetenzen ohne einengende Geschlechterstereotype entfalten können, sind schulische und betriebliche Angebote zur gendersensiblen Berufsorientierung gefragt, z.B. in Form von Schulpraktika und Zukunftstagen wie dem Girls’Day und dem Boys’Day.» Als «großartig» bezeichnete dagegen die FDP-Bildungspolitikerin Katja Suding die Entwicklung hin zu mehr Durchlässigkeit bei der Berufsausbildung auf beiden Seiten. «Das zeigt, dass die junge Generation außerhalb von Schubladen denkt und die Jugendlichen ihr Leben selbstbestimmt in die eigene Hand nehmen», sagte sie der dpa.
Auch wenn sich die Rollenbilder langsam zu ändern scheinen, ganz vorne auf der Beliebtheitsskala der Berufe ist die Verteilung im Moment immer noch klassisch: Junge Frauen haben 2018 am häufigsten eine Ausbildung zur Bürokauffrau, zur medizinischen oder zahnmedizinischen Fachangestellten, zur Einzelhandelskauffrau oder Verkäuferin begonnen. Männliche Azubis strebten in die Autowerkstätten, wollten Elektroniker oder Informatiker werden oder Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik.
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