DIE ZEIT: Herr Professor Ackerman, wenn Donald Trump im Januar ins Amt kommt, kontrolliert er das Weiße Haus, beide Häuser des Kongresses sind in der Hand der Republikaner, und das höchste Gericht, den Supreme Court, kann Trump durch die Ernennung konservativer Richter in seine Richtung lenken. Hatte je ein amerikanischer Präsident so viel Macht?

Bruce Ackerman

, 1943 in New York geboren, ist einer der führenden US-Verfassungsrechtler.

Im Streit um die Auszählung der Wahl 2000 im Bundesstaat Florida gehörte er zu den juristischen Beratern des Kandidaten Al Gore.

Aktuell vertritt Ackerman einen Captain der U. S. Army in einem Rechtsstreit gegen die Regierung Obama. Der Jurist argumentiert, Obama führe illegal Krieg gegen den IS.

Bruce Ackerman: Auch wenn Sie es mir nicht glauben: Bis zum Zweiten Weltkrieg waren amerikanische Präsidenten relativ machtlose Politiker. Regiert hat der Kongress. Im Jahr 1939 hatte der damalige Präsident Franklin D. Roosevelt gerade einmal sechs Mitarbeiter im Weißen Haus. Donald Trump begreift gerade, dass er über 4.000 Stellen in der Regierung besetzen muss. In den vergangenen vierzig Jahren haben die Präsidenten das Weiße Haus immer mehr zu einer hochpolitisierten Machtzentrale ausgebaut. Sie beschäftigen einen riesigen Stab von superloyalen Mitarbeitern, die allein ihnen verantwortlich sind. Diesen Superloyalisten fällt es leicht, die Ratschläge von Experten oder die unparteiische Erfahrung der Ministerien zu ignorieren. Sie sind allein dem Präsidenten verpflichtet und verlassen mit ihm das Weiße Haus. Regieren wird so immer politisierter und ideologischer. Und immer mehr hängt allein vom Präsidenten und seinen Leuten ab.

ZEIT: Schon im Jahr 2010 haben Sie geschrieben, das Amt des Präsidenten habe sich in eine „Plattform für charismatischen Extremismus, bürokratische Gesetzlosigkeit“ und „destruktiven Radikalismus“ verwandelt. Was ist aus der Gewaltenteilung geworden, dem uramerikanischen System von Checks and Balances?

Ackerman: Die Über-Zentralisierung der Macht im Weißen Haus ist die Folge der dramatischen Ausweitung der Staatsaufgaben seit dem Zweiten Weltkrieg und des Aufstiegs der USA zur einzigen Weltmacht mit ihrer militärischen Hegemonie. Alle Präsidenten seit Ronald Reagan haben ihre Macht systematisch ausgebaut, am sichtbarsten vielleicht George W. Bush mit der Ausweitung der Exekutivgewalt im sogenannten Krieg gegen den Terror.

ZEIT: Hat auch Barack Obama die Machtkonzentration im Weißen Haus vorangetrieben?

Ackerman: Ja, er hat fortgesetzt, was Reagan, Clinton und Bush begonnen haben. Es gibt im Weißen Haus seit etwa dreißig Jahren eine Abteilung, die alle Behörden der US-Bundesregierung zentral steuert, das Office of Information and Regulatory Affairs (OIRA). Alle wichtigen Vorschriften, alle größeren Projekte der Behörden müssen vom OIRA genehmigt werden. In dieser Abteilung arbeiten keine Lebenszeitbeamte, sondern Vertraute des Präsidenten, politische Mitarbeiter, die von ihm ernannt werden. So kann der Präsident tief in die Arbeit aller Teile der US-Regierung eingreifen, am Parlament vorbei, ohne öffentliche Kontrolle. Das ist eine weitere dramatische Politisierung und Zentralisierung.

ZEIT: Gilt das auch für die Außenpolitik?

Ackerman: Absolut. Die Rolle des Außenministers hat sich auf grundlegende Weise verändert. Sowohl Hillary Clinton als auch John Kerry waren Krisenmanager, reisten ständig um die Welt, versuchten die brennendsten Probleme des Augenblicks zu lösen. Aber wer kümmert sich um die langen Linien, das strategische Denken? Nicht mehr das Außenministerium, sondern die Leute, die täglich Zugang zum Präsidenten haben, der Nationale Sicherheitsberater und die Chefs der Geheimdienste. Da gibt es eine klare Tendenz zur Militarisierung der Außenpolitik.

ZEIT: Auch unter Obama?

Ackerman: Er war zurückhaltender als seine Vorgänger, aber unter Trump kann sich das ändern. Vor allem aber hat Obama die Militärschläge gegen den IS ohne Zustimmung des Kongresses angeordnet. Das ist beispiellos.

ZEIT: Der Präsident ist der Oberbefehlshaber.

Ackerman: Natürlich, und er kann Militärschläge befehlen. Aber wenn diese länger andauern, muss er den Kongress um Zustimmung bitten. Obama hat das nicht getan. Das ist ein fundamentaler Rechtsbruch. Trump könnte sich darauf berufen.

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