Politisches Erdbeben
Washington (dpa) – Der Überraschungssieg des politisch unerfahrenen Quereinsteigers Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl versetzt Amerika und das Ausland in Aufruhr.
Mit seinem Triumph über Hillary Clinton widerlegte der
als Außenseiter ins Rennen gegangene Populist die meisten Umfragen. Er regiert von Januar an die größte Wirtschafts- und Militärmacht der Welt. Dank des
Doppelsiegs seiner Republikaner in beiden Kongresskammern kann er politische Vorhaben womöglich ohne große Gegenwehr durchsetzen.
Nach einem der
schmutzigsten und polarisierendsten Wahlkämpfe der US-Geschichte sagte Trump in seiner
Dankesrede am Mittwochmorgen (MEZ) vor Anhängern in New York, er wolle das – tief gespaltene – Land nun einen. Den Menschen anderer Länder biete er die Partnerschaft der USA an, nicht ihre Feindschaft. «Wir werden großartige Beziehungen pflegen», versprach der 70-Jährige in seinem typischen Duktus. Amerika gehe aber vor.
Die Demokratin Hillary Clinton äußerte sich öffentlich zunächst nicht zu ihrer Niederlage, räumte sie nach CNN-Angaben aber in einem Telefonat mit Trump ein. Ihre politische Karriere dürfte damit beendet sein. Auch US-Präsident Barack Obama gratulierte nach CNN-Informationen seinem Nachfolger Trump. Beide wollten sich am Donnerstag treffen, hieß es weiter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Trump zum Wahlsieg und bot ihm eine «enge Zusammenarbeit» an. Zugleich erinnerte sie Trump an dessen künftige Verantwortung. Im Wahlkampf hatte Trump Merkels Politik als «totales Desaster» bezeichnet.
Die Wahlnacht in den USA entwickelte sich zur extremen
Zitterpartie. Letztlich konnte Trump die meisten umkämpften Wechselwählerstaaten wie Florida und Ohio für sich entscheiden. Vor allem im industriell geprägten Nordosten des Landes, dem einst florierenden und inzwischen vom wirtschaftlichen Abschwung gebeutelten «Rostgürtel», konnte Clinton nicht wie erwartet punkten. Nach vorläufigen CNN-Angaben (Stand 12.30 Uhr MEZ) brachte Trump so mindestens 289 Wahlleute hinter sich, die über den nächsten Präsidenten entscheiden. Clinton kam demnach nur auf 218, nötig sind 270.
Trump wird bei seinem Amtsantritt am 20. Januar der älteste neu vereidigte US-Präsident sein – und der erste seit Dwight D. Eisenhower
ohne politische Amtserfahrung. Beim Regieren kann er sich auf die republikanische Mehrheit in Senat und Abgeordnetenhaus stützen. Die Konservativen verteidigten ihre Dominanz in beiden Kongresskammern. Dem Präsidenten Trump eröffnet dies weitreichende Möglichkeiten – nicht nur in der Gesetzgebung, sondern beispielsweise auch bei der folgenreichen Neubesetzung des Supreme Courts.
In seiner Dankesrede bekräftigte der reiche Immobilienmogul bekannte Wahlversprechen wie die Verdopplung des Wirtschaftswachstums. Außerdem werde er ins Ausland abgewanderte Arbeitsplätze in die USA zurückholen und die Infrastruktur des Landes aufbauen. Er habe einen «großartigen» ökonomischen Plan für Amerika, sagte der Milliardär.
Im Rest der Welt wird Trumps Sieg mit großer Sorge gesehen. Völlig unklar ist bislang, was er für das bislang so enge Verhältnis der USA zu ihren Partnern in Europa und innerhalb der Nato bedeutet. Im Wahlkampf hat Trump angekündigt, den Verbündeten mehr abzuverlangen und sie für militärischen Schutz stärker zur Kasse zu bitten.
Fraglich auch, ob der im Wahlkampf vom Kreml und russischen Medien hofierte Republikaner die Abschreckungspolitik der Nato gegenüber Moskau unterstützt. Russlands Präsident Wladimir Putin gratulierte ihm als einer der ersten Staatschefs und äußerte die Hoffnung auf bessere Beziehungen zwischen beiden Atommächten.
Befürchtet wird, dass Trump nun hart erarbeitete Vereinbarungen wie das Atomabkommen mit dem Iran, den Pariser Klimavertrag und bestehende Freihandelsvereinbarungen aufkündigt. Für den umstrittenen Handelspakt TTIP könnte sein Sieg der Sargnagel sein.
Die Präsidenten des EU-Rats und der EU-Kommission luden Trump in einem Glückwunschschreiben zu einem baldigen Gipfeltreffen in Europa ein. «In diesen Tagen ist es wichtiger denn je, die transatlantischen Beziehungen zu stärken», schreiben sie mit Blick auf den Klimawandel, Anti-Terror-Kampf sowie die Flüchtlings- und Ukraine-Krise. Bundesaußenminister Steinmeier schlug ein Sondertreffen der EU-Außenminister am Sonntagabend in Brüssel vor.
Die meisten europäischen Politiker erwarten schwierigere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Rechtspopulisten wie die Französin Marine Le Pen und die deutsche AfD-Politikerin Beatrix von Storch gratulierten Trump hingegen, genau wie der rechtskonservative ungarische Ministerpräsident Viktor Orban.
Trump hatte mit populistischen Parolen Wahlkampf gemacht. Er wetterte gegen Einwanderer und Muslime, kritisierte ungestrafte Abtreibung und lehnte die Einschränkung des Rechts auf Waffenbesitz ab.
Seine Stimmungsmache verfing offensichtlich stärker, als es Meinungsforscher vorausgesehen hatten. Die Märkte reagierten auf Trumps Wahlsieg mit starken Kursschwankungen.
Noch nie in der Geschichte der US-Wahlen waren zwei Kandidaten so unbeliebt: Trump wegen seiner Art und seiner Ausfälle, Clinton wegen ihrer Skandale und ihrer Nähe zum bestehenden System. Fakten und Inhalte spielten im Kampf um das Weiße Haus kaum eine Rolle.
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