Zu den vielen Menschen, die Donald Trump in seinem Wahlkampf beleidigt und beschimpft hat, gehört auch Angela Merkel. Eine „Katastrophe“ sei Merkels Politik, seiner Konkurrentin Hillary Clinton warf er immer wieder vor, sie werde „zur Merkel von Amerika“. Auch das war nicht als Kompliment gemeint.

Die Kanzlerin hat diese Anwürfe nie kommentiert. Dass sie zu Clinton gehalten hat, ist aber ein offenes Geheimnis.

Ein Sieg Trumps war auch im Kanzleramt nicht erwartet worden. Trotzdem hatte man in den vergangenen Wochen versucht, sich so gut wie möglich darauf vorzubereiten – schließlich hatte auch niemand mit einem Brexit gerechnet oder damit, dass Trump auch nur Kandidat werden könnte. Nun ist er Präsident. Ein amerikanisch-deutscher Albtraum.

Gegen 5.30 Uhr am Mittwochmorgen reifte bei den Mitarbeitern des Kanzleramts die Einsicht: Man muss sich jetzt wirklich darauf einstellen. Kurz darauf war es Gewissheit. Merkel hielt dennoch an der normalen Planung fest: Morgenlage um 7.45 Uhr, wie immer mittwochs vor der Kabinettssitzung eine Viertelstunde früher als sonst. Dann Vorfrühstück mit den Vertretern der eigenen Partei, danach Kabinett. Business as usual. Bloß keine Panik schüren.

Sorgsam formulierter Glückwunsch

Gegen Mittag trug Merkel dann in einer sorgsam ausgefeilten Formulierung ihre Glückwünsche vor: „Ich gratuliere dem Gewinner Donald Trump“. Der Wahlkampf sei geprägt gewesen von einer „teilweise schwer erträglichen Konfrontation“. Amerika sei und bleibe aber der engste Partner außerhalb der EU, die Partnerschaft bleibe ein Grundstein deutscher Außenpolitik. Deutschland und die USA seien durch Werte verbunden wie Freiheit, Demokratie, Respekt vor dem Recht und der Würde jedes einzelnen Menschen. „Auf Basis dieser Werte biete ich eine enge Zusammenarbeit an“, sagte Merkel. Es ist der erste Versuch, Trump auf eine gemeinsame Linie zu verpflichten.

Hinter den Kulissen herrscht jedoch eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Fatalismus. „Jetzt haben wir die Situation, jetzt müssen wir damit umgehen“, sagt einer.

Dass Trump in seiner ersten Ansprache nach der Wahl versöhnlich aufgetreten ist und sich sogar bei Hillary Clinton bedankt hat, wird mit skeptischer Hoffnung aufgenommen. Merkel und ihre Leute sind erstaunt über den moderaten Ton. Den Wahlkämpfer Trump habe man 18 Monate lang erlebt, nun müsse man abwarten, was für ein Präsident Trump sein werde. Es ist, als versuche das politische Berlin, eine Brandmauer einzuziehen. Auf der einen Seite der verrückte Kandidat, auf der anderen, hoffentlich, ein etwas berechenbarerer Präsident.

„Hoffnung“ und „Ratio“ sind Worte, die in den Gesprächen fallen und an die sich jetzt alle klammern. Ruhe bewahren, gründlich die Lage analysieren und erst einmal auf Zeit spielen, lautet die Devise. „Die Welt bleibt nicht stehen“, drückt es einer aus dem Kanzleramt nüchtern aus.

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