Ulli Köppe, 28 Jahre alter Berliner, hatte im Juni zwei Eintrittskarten geschenkt bekommen für einen Interview-Abend der Zeitschrift Brigitte mit Angela Merkel. Er freute sich, denn er ist Fan der Kanzlerin. Als das Publikum Fragen stellen durfte, hob er die Hand. Und fragte sie, was ihn schon seit Jahren beschäftigt: „Wann darf ich meinen Mann denn Ehemann nennen, wenn ich ihn heiraten möchte?“ Merkel antwortete verschwurbelt, doch hängen blieb: Sie will, dass die Abgeordneten ihrer Partei nicht an ihre Fraktionsdisziplin gebunden sind, wenn sie darüber entscheiden. Und das nach Jahren, in denen die CDU nur gebremst hatte. Dann ging alles ganz schnell. Vier Tage später stimmte das Parlament ab. 393 zu 226 für die Ehe für alle.

Herr Köppe, haben Sie gleich verstanden, was Merkel in ihrer Antwort gesagt hat?

Nein, überhaupt nicht. Das war völlig verrückt. Sie hatte ja gefühlt vier Minuten gestammelt. Ich habe nach der Veranstaltung noch mit meinem Freund darüber gesprochen, was von dem Abend wohl bleiben wird. Wir dachten, es sei der Satz „Schwamm drüber“. So hatte Merkel auf die Angriffe von Martin Schulz reagiert, der ihr wegen ihrer Politik einen „Anschlag auf die Demokratie“ vorwarf. Aber eine Reporterin der DPA hat aus der Antwort auf meine Frage wohl den „Gewissensentscheid“ rausgehört.

Wann wurde Ihnen klar, dass Sie da etwas Großes ausgelöst haben?

Am gleichen Abend hatte ich noch den News-Ticker auf dem Handy, und am nächsten Tag lief auf Brigitte.de ein Artikel „Er ist gefunden“, dazu mein Name und mein Instagram-Profil. Von da an stand mein Telefon nicht mehr still. Fernsehsender kamen ins Büro, aus allen möglichen Ländern wollten Reporter Interviews. 100 Stück habe ich bestimmt gegeben.

Stimmt es, dass Sie der CDU beigetreten sind?

Nein. Ich finde zwar Frau Merkel schon immer gut und bewundere sie für ihre Diplomatie, immer weiter zu sprechen mit Gegnern, bis es wirklich nicht mehr geht. Aber mit der CDU habe ich nichts zu tun. Die Falschmeldung kam am Donnerstag. Da dachte ich: Oh je, das läuft aus dem Ruder. Ich hab doch nur ne Frage gestellt.

Woraufhin die anderen Parteien Druck gemacht haben. Und am Freitag hat der Bundestag abgestimmt.

Das war der krasseste Moment. Ich hatte mich akkreditiert und saß auf der Tribüne. Ein Fotograf sagte: „Da sitzt der, der gefragt hat“ Plötzlich haben sich alle Fotografen vor mir aufgebaut. Es ist so viel Unruhe entstanden, dass es die Abgeordneten unten gestört hat. Da haben mich die Ordner gebeten, den Saal zu verlassen. Bei der eigentlichen Abstimmung war ich also nicht dabei. Ich sah noch, wie über den Ticker lief: „Historische Entscheidung“. Am Abend luden mich die Grünen ein zum Feiern, danach wieder Interviews. Als ich um zwölf Uhr nachts nach Hause gefahren bin, dachte ich: „Wow, was ist passiert!“ Am nächsten Morgen war der Hype vorbei. Zum Glück.

Viele haben Sie danach als politischen Aktivisten bezeichnet.

Das bin ich aber nicht. Ja, ich bin schwul und arbeite in einem Schwulen-Verlag. Als Event-Manager organisiere ich dort zum Beispiel die Trucks für die Christopher-Street-Day-Paraden in vielen deutschen Städten. Aber ich habe mich ansonsten noch nie politisch engagiert. Ich habe mich auch spontan entschieden, zu fragen. Das Mikro war gerade in meiner Nähe. Mein Freund wusste davon gar nichts.

Haben Sie und ihr Freund geheiratet?

Noch nicht, aber bald. Mein Freund hat vor zwei Wochen um meine Hand angehalten. Über den Wolken auf einer Überraschungsreise nach Tokio, wo ich schon immer mit ihm hinwollte.

Wow, herzlichen Glückwunsch! Und jetzt planen Sie die Hochzeit?

Ja, wir werden nun so schnell wie möglich standesamtlich heiraten. Aber eines ist mir ganz wichtig: Es ging mit in meiner Frage an Frau Merkel um viel mehr. Ich habe es immer als großes Unrecht empfunden, dass für mich das Wort Ehe nicht gelten soll. Ich bin kein minderwertiger Mensch.

Dieser symbolische Wert ist für Sie das Wichtigste an dem neuen Gesetz?

Nein, es ist das Adoptionsrecht. Mein Freund und ich wollen keine Kinder. Aber viele andere Paare. Das ist das Tolle: Es kommen jetzt so viele liebevolle Eltern dazu, die für Kinder da sein und sie großziehen werden.

Interview: Karin Stawski

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