Donald Trump ist kein Freund der Bescheidenheit. „2017 war ein Jahr der gewaltigen Errungenschaft, der monumentalen Errungenschaft“, prahlte der US-Präsident kürzlich bei einer Kabinettssitzung im Weißen Haus. „Ich glaube nicht, dass je eine Regierung erreicht hat, was wir erreicht haben.“
Am Samstag feiert Trump sein Jubiläum. Doch ein Jahr nach seiner Vereidigung am 20. Januar 2017 sieht die Realität anders aus. Chaos, Skandale und Twitter-Tiraden überschatten seltene Erfolge, während die Versprechen aus seiner Antrittsrede meist unerfüllt bleiben. SPIEGEL ONLINE zieht Bilanz. Was hat er vor einem Jahr auf den Stufen des Kapitols gesagt, was hat er tatsächlich erreicht?
Einheit der Nation
„Das amerikanische Gemetzel hört hier und jetzt auf. Wir sind eine Nation. (…) Wir teilen ein Herz, eine Heimat und eine glorreiche Bestimmung. Der Amtseid, den ich heute ablege, ist ein Treueeid an alle Amerikaner.“
Trump ist einer der unpopulärsten US-Präsidenten aller Zeiten. Zugleich hat sich die Polarisierung in zwei unversöhnliche Lager unter ihm verschlimmert. Trump selbst stellt sich klar auf eine Seite. So schockiert er immer wieder mit entzweienden und oft rassistischen Äußerungen. Als Neonazis durch Charlottesville marschierten, bekundete er Verständnis für „sehr feine Leute auf beiden Seiten“, statt sich klar zu distanzieren.
Rechtsextreme fühlen sich von ihm ermutigt: Bürgerrechtler berichten, dass die Zahl rechtsextremer Gewalttaten in den USA dramatisch angestiegen sei. Doch Trumps Justizministerium nimmt nicht die rechten Gruppen als Terroristen ins Visier – sondern die friedliche Vereinigung Black Lives Matter. Auch den Schutz anderer Minderheiten weicht Trump langsam auf, unter anderem, indem er Dutzende Gerichte mit konservativen Juristen besetzt und so die juristisch verankerten Rechte von Schwulen, Lesben und Transsexuellen gefährdet.
Gleichzeitig attackiert er kritische Medien als „Fake News“ und untergräbt damit die Meinungs- und Pressefreiheit. Und: Wichtige Sozialprogramme, die eher den Ärmeren helfen, will er zusammenstreichen – die Gesundheitsreform „Obamacare“ zum Beispiel. Das alles vertieft die Spaltung in der Gesellschaft, von der versprochenen „Heilung“ ist das Land weit entfernt. Nun kommt es auch noch zur Schließung der Regierung, zum „Shutdown“, weil Trump mit den Demokraten bislang keine Lösung im Streit um Haushalt und Einwanderung finden kann.
Krisen, Chaos, Peinlichkeiten: Ein Jahr Donald Trump in Bildern
Einwanderung
„Wir werden unsere Grenzen zurückholen. Wir werden unseren Wohlstand zurückholen, und wir werden unsere Träume zurückholen.“
Das kontroverseste Versprechen Trumps, das er in seiner Antrittsrede nur indirekt ansprach, ist der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Bis heute beharrt er darauf, wobei er aber immer widersprüchlicher wird. Zuletzt wandte sich der Präsident gegen seinen eigenen Stabschef John Kelly, der behauptet hatte, Trumps „uninformierte“ Haltung dazu habe sich „entwickelt“. Im selben Tweet erklärte Trump, die Mauer könne auch „durchsichtig“ sein.
Doch auch ohne Mauer zieht Trump seine harte Linie durch: 800.000 Kindern illegaler Einwanderer („Dreamers“) droht plötzlich die Abschiebung. Zudem ordnete Trump auch die Ausweisung von fast 320.000 Lateinamerikanern (Haitianer, Salvadorianer, Honduraner) an, die seit einer Generation in den USA Zuflucht finden. Trumps Einreiseverbot für mehrheitlich muslimische Länder – sein erstes drakonisches Dekret im Januar 2017 – scheiterte derweil mehrmals vor den Gerichten. Inzwischen wurde es aber in verwässerter Form vorerst genehmigt, während die Klagen weiter verhandelt werden.
Selbst legale Einwanderung versucht Trump zu bremsen, indem er die Ausstellung von Visa bremst. Seine Aversion richtet sich dabei meist gegen nicht-weiße Einwanderer aus „Drecksloch-Ländern“, wie er es neulich formulierte, während er lieber mehr Immigranten „aus Norwegen“ hätte.
Außenpolitik
„Wir werden Freundschaft und Wohlwollen bei den Nationen der Welt suchen – aber wir tun dies in dem Verständnis, dass es das Recht aller Nationen ist, ihre eigenen Interessen an die erste Stelle zu setzen.“
Der Präsident hat in der Außenpolitik große Ankündigungen gemacht, aber bislang nicht viel erreicht. Als Erfolg kann er allenfalls verbuchen, dass es den USA und ihren Verbündeten gelungen ist, die Terrormiliz „Islamischer Staat“ im Irak und in Syrien zurückzudrängen. Eine Friedenslösung für Syrien gibt es aber nicht. Gleichzeitig sorgte Trump für neue Unruhe in der Region, indem er gegen den Widerstand der Palästinenser Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte und das Iran-Abkommen der Vorgänger-Regierung in Frage stellte.
Auch sonst stiftet er mit erratischen Aktionen mehr Verwirrung als Ordnung: Seine wüsten Kriegsdrohungen gegen Nordkorea sorgen für Angst vor einem atomaren Konflikt im Pazifik. Er schwächt die Vereinten Nationen, indem er Zahlungen streicht. Und er brüskiert Nato-Alliierte wie Deutschland, Großbritannien oder Frankreich, indem er in wichtigen Fragen wie der Nahost-Politik ohne Abstimmung handelt. „America First – Amerika zuerst“, lautet Trumps Devise, für ihn bedeutet das: Wir denken nur an uns, Unterstützung für andere Länder oder multilaterale Organisationen ist nicht mehr so wichtig.
Die Rolle der USA in der Welt stärkt er so nicht – im Gegenteil: Laut einer aktuellen Gallup-Umfrage in 138 Ländern sehen nur noch 30 Prozent der Befragten die USA als Führungsmacht in der Welt, unter Obama waren es noch 48 Prozent. Andere Staaten stoßen in dieses Machtvakuum vor, zum Beispiel China.
Wirtschaft und Steuern
„Wir werden Amerika wieder wohlhabend machen. Wir werden unsere Bürger aus der Sozialhilfe herausholen und mit Jobs versorgen – um unser Land mit amerikanischen Händen und amerikanischer Arbeit wiederaufzubauen.“
Obwohl sie das Weiße Haus und den Kongress kontrollieren, haben Donald Trump und die Republikaner bislang nur eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen umgesetzt: eine große Steuerreform. Für die Unternehmen, die künftig nur noch 21 statt 35 Prozent Steuern zahlen, ist das eine gute Nachricht, sie können mit saftigen Zusatzgewinnen rechnen. Davon werden zumindest in den kommenden Jahren aber wohl auch normale Durchschnittsverdiener profitieren, ihre Steuern werden vorerst ebenfalls sinken, neue Jobs könnten entstehen.
Die wirtschaftliche Entwicklung in den USA ist positiv. Trump hat Glück, denn der Aufschwung, der unter seinem Vorgänger Barack Obama begonnen hat, setzt sich fort. Trumps Wirtschaftspolitik beinhaltet aber auch Risiken und Probleme: Die Staatsverschuldung steigt um viele Milliarden Dollar an, dies kann mittel- bis langfristig zu Streichungen bei wichtigen staatlichen Sozialprogrammen führen. Die Steuervorteile für die Mittelschicht sind außerdem befristet, während sie für Reiche und Konzerne unbefristet sind. Die Kluft zwischen Arm und Reich könnte sich so weiter vertiefen.
Auch in der Energie- und Umweltpolitik drohen Rückschritte: Statt den Klimaschutz zu stärken, setzt Trump massiv auf fossile Energien, Kohle, Gas, Öl. Er erlaubt neue Pipelines und Öl-Bohrungen in Naturreservaten, in denen dies bisher verboten war. Dafür erklärte der Präsident den Austritt aus dem Pariser Klimavertrag.
Infrastruktur
„Wir werden neue Straßen und Autobahnen und Brücken und Flughäfen und Tunnel und Eisenbahnen quer durch unsere wundervolle Nation bauen.“
Vor der Wahl hatte Donald Trump verkündet, innerhalb der ersten 100 Tage seiner Amtszeit einen großen Plan zur Erneuerung der teilweise maroden US-Infrastruktur vorzulegen. Seitdem wurde die Präsentation jedoch immer wieder verschoben, nun soll es Ende Januar so weit sein. Das Problem: Der Bau von neuen Straßen und Tunneln würde wohl ein neues, tiefes Loch in den Staatshaushalt reißen. Viele Republikaner im Kongress lehnen neue Schulden jedoch ab.
Außerdem braucht Trump dafür die Zustimmung der oppositionellen Demokraten. Die werden dafür jedoch Zugeständnisse von Trump in anderen Bereichen fordern, die ihm nicht schmecken – etwa bei der Reform des Gesundheitswesens. Und sie werden sicherstellen wollen, dass viel Geld in Bundesstaaten fließt, in denen sie regieren. Trump wiederum wird eher jene Staaten fördern wollen, in denen er sich die meisten Stimmen bei der nächsten Wahl verspricht.
Die Verhandlungen über die Projekte könnten also extrem schwierig werden, eine Lösung ist kaum absehbar. Zumal die US-Regierung die Zuschüsse für etliche kommunale Infrastrukturprojekte sogar gestrichen hat, darunter für wichtige Eisenbahntunnel unter dem Hudson River, einem Flaschenhals der heillos überlasteten Nordost-Schlagader von New Jersey nach New York.
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