Sie werden häufig in Drittweltländern eingesetzt, wo es an einem funktionierenden Stromnetz fehlt: sogenannte Kraftwerksschiffe oder Power Barges. Nun sollen sie hierzulande helfen, im kommenden Winter die Stromversorgung zu sichern. Zumindest im Norden.
Das Atomkraftwerk Emsland soll wie geplant Ende des Jahres vom Netz gehen – und nicht notfalls im Winter die Energieversorgung sichern helfen wie die beiden anderen verbliebenen Atommeiler in Süddeutschland. So geht es aus den Planungen des Bundeswirtschaftsministeriums aufgrund des zweiten Energie-Stresstests hervor. Als Grund für die Aussortierung des Akw im niedersächsischen Lingen wird in einem Ministeriumspapier genannt, dass im norddeutschen Raum „weniger risikoreiche Instrumente“ [als die Atomkraft, Anm. d. Red.] eingesetzt werden könnten, nämlich „zusätzliche Ölkraftwerke in Form von Kraftwerksschiffen, sogenannten ‚Power-Barges'“.STERN PAID von Capital So füllt Deutschland seine Gasspeicher 10.56
Bei diesen Kraftwerksschiffen handelt es sich in aller Regel um Kraftwerksblöcke, die auf Schwimmpontons beziehungsweise geeigneten Flößen oder Schiffen montiert und zu den geforderten Standorten gebracht werden können. Meist sind diese Standorte Häfen oder Küstenabschnitte, in deren angrenzender Region ein (zusätzlicher) Energiebedarf besteht oder eine Versorgungslücke geschlossen werden soll. Vorteil der Floating Power Barges ist neben ihrer flexiblen Einsetzbarkeit vor allem, dass sie auch dort aufgestellt werden können, wo geeignete Flächen für Kraftwerke nicht vorhanden und der Bau neuer, stationärer Anlagen nicht finanziert werden kann.
Kraftwerksschiffe bereits weltweit im Einsatz
Die Technologie ist durchaus erprobt, weltweit im Einsatz und nicht nur für kleinere Versorgungen geeignet. New York wird beispielsweise schon seit 50 Jahren auch durch Power Barges versorgt, die in der Upper Bay vor Brooklyn liegen. Der Weltmarktführer Karpowership, Teil der türkischen Karadeniz Holding, gibt an, derzeit in elf Regionen der Welt 25 Kraftwerksschiffe im Einsatz zu haben. Länder wie Guinea Bissau oder Sierra Leone werden demnach zu 80 bis 100 Prozent durch die türkischen Powerships versorgt. Meist werden die Kraftwerke durch Gasturbinen betrieben, was angesichts der Gasverknappung durch Russland aber nicht infrage kommt. Betrieben werden aber auch schwimmende Schweröl-, Diesel- und sogar Atomkraftwerke. Biokraftstoffe sollen auch möglich sein. Deutsche Anbieter von Power Barges sind unter anderen Siemens und RWE.
Bedarf besteht in aller Regel in Entwicklungsländern, aber angesichts der unsicheren Versorgungslage durch den Ukraine-Krieg könnten auch in Europa Power Barges künftig häufiger zum Einsatz kommen. Um ein Atomkraftwerk wie das Akw Emsland mit einer Leistung von etwa einem Gigawatt zu ersetzen, dürften zwei Kraftwerksschiffe nötig sein, die in der Lage sind je 500 Megawatt zu liefern. Laut Experten gibt es derzeit einen Leasing-Markt für solche Schiffe in einem Leistungsumfang von insgesamt zehn Gigawatt. Schätzungen zufolge stehen weltweit etwa 75 Power Barges zur Verfügung, Karpowership garantiert, dass seine Schiffe angeblich binnen 60 Tagen einsatzfähig sind. Woher die Schiffe kommen sollen, die das Akw in Lingen bei Bedarf ersetzen sollen, dazu hat sich das Wirtschaftsministerium bisher nicht geäußert. Wichtig für die Regierung dürfte sein: Es handelt sich Experten zufolge um ein Plug-and-Play-Konzept. Einmal am Platz, sollten die schwimmenden Kraftwerke also umgehend einsetzbar sein.
Keine Energielieferungen aus Russland? So reagieren die Länder 20-06h
Atomausstiegsgesetz verlangt Einsatz risikoärmerer Technologie
Betrieben werden die Schiffe von Energiekonzernen, ihr Einsatz lohnte sich in Deutschland bisher nicht. Erst durch die gestiegenen Strompreise hat sich das geändert. Der CO2-Ausstoß von zwei schwimmenden Öl-Kraftwerken wäre laut Experten kontraproduktiv für den Klimaschutz. Das Atomausstiegsgesetz schreibt aber vor, dass risikoärmere Technologien eingesetzt werden müssen, wenn diese verfügbar sind, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.
Quellen: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz; Karadeniz Holding; Siemens Energy; Euractiv
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