Deutschland hat die spanische Regierung ersucht, den festgenommenen deutschen Schriftsteller Dogan Akhanli nicht an die Türkei auszuliefern. Das verlautete am Samstagabend aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.

Danach hat sich die deutsche Botschaft in Madrid auf Bitten von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) an die Regierung in Madrid gewandt. Dabei habe man auch darum gebeten, am Auslieferungsverfahren beteiligt zu werden und Akhanli schnellstmöglich konsularisch betreuen zu können, hieß es.

Der türkischstämmige Kölner Schriftsteller war am Samstag im Urlaub in Spanien auf Betreiben der Türkei festgenommen worden. Akhanli lebt seit seiner Flucht aus der Türkei 1991 in Deutschland und hat ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft.

Was ihm genau vorgeworfen wird, war zunächst unklar. Sein Anwalt Ilias Uyar sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Festnahmeantrag sei aus der Türkei gekommen. Dies bestätigte auch die spanische Polizei. Der Schriftsteller werde in Kürze den Justizbehörden überstellt, sagte ein Polizeisprecher spanischen Medien.

In seinen Werken befasst sich der 1957 geborene Schriftsteller auch mit der Verfolgung der Armenier in der Türkei. Er wurde nach dem Militärputsch als Mitglied der kommunistischen TDKP 1984 verhaftet. Von 1985 bis 1987 saß er in Istanbul in einem Militärgefängnis.

Anwalt Uyar sagte dem Kölner «Stadt-Anzeiger», bei der spanischen Polizei habe ein Dringlichkeitsvermerk der internationalen Polizeibehörde Interpol vorgelegen. Akhanli wurde demnach am Samstagmorgen im Urlaub in Granada in seinem dortigen Domizil festgenommen. Dem «Spiegel» zufolge werten Sicherheitskreise die Festnahme als erneuten Affront der Türkei gegen Deutschland.

In Deutschland löste die Festnahme Empörung aus. Es sei schon ein Skandal, wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei unschuldige Menschenrechtsaktivisten und Journalisten verhaften lasse, sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. «Wenn er dies nun auch außerhalb des Territoriums der Türkei versucht, müssen wir uns als Europäer dem entschlossen entgegenstellen und sagen: So nicht!»

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte, die polizeiliche Zusammenarbeit der EU mit der Türkei neu zu bewerten. «Gegner des türkischen Regimes dürfen in Europa künftig nicht ungeprüft als Kriminelle verhaftet werden», sagte er dem «Tagesspiegel». «Wie weit wollen wir Erdogan in Europa noch kommen lassen?», fragte Linke-Chefin Katja Kipping.

Die Schriftstellervereinigung PEN vertrat die Ansicht, das Verfahren gegen Akhanli sei «eindeutig politisch motiviert». PEN-Vizepräsident Sascha Feuchert, viele Politiker und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi forderte die spanischen Behörden auf, den Autoren keinesfalls an die Türkei auszuliefern und sofort freizulassen.

Akhanli war 2010 auf einem Flughafen in Istanbul festgenommen worden, als er in die Türkei einreisen wollte, um seinen todkranken Vater zu besuchen. Ihm wurde vorgeworfen, 1989 an einem Raubmord auf eine Wechselstube in Istanbul beteiligt gewesen zu sein. Er blieb in Untersuchungshaft, bis der Richter am ersten Verhandlungstag entschied, dass Akhanli das Gefängnis verlassen dürfe. Wenige Tage später kehrte er nach Deutschland zurück. 2011 wurde er in Abwesenheit von einem Gericht in der Türkei vom Vorwurf des Raubes und Totschlags freigesprochen, der Freispruch wurde aber wieder aufgehoben.

Akhanlis Anwalt zufolge lag bei Interpol eine sogenannte Red Notice zu dem Schriftsteller vor. Damit kann ein Land dazu auffordern, eine gesuchte Person ausfindig zu machen und vorläufig festzunehmen. Es handelt sich nicht um einen Suchauftrag im Namen von Interpol selbst und nicht um einen internationalen Haftbefehl. Laut Interpol entscheiden die Länder selbst, wie sie mit einer Red Notice umgehen.

Der Journalistenverband DJV rief Journalisten dazu auf, sich vor Auslandsreisen beim Bundeskriminalamt über mögliche Haftbefehle oder Fahndungen im Ausland zu informieren. Man rate türkeikritischen Kollegen «dringend», eine Selbstauskunft beim BKA zu beantragen, teilte der Verband am Samstag mit. Die Festnahme Akhanlis auf Betreiben der Türkei sei als Warnzeichen zu verstehen, sagte der Bundesvorsitzende Frank Überall. «Journalisten brauchen Klarheit darüber, ob ein unbeschwerter Urlaubstrip ins Ausland im Knast endet.»

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