Nach monatelangen zähen Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens gibt es einen ersten Durchbruch. Man sei sich einig über die wichtigsten Fragen der Trennung und könne nun in Verhandlungen über die künftigen Beziehungen eintreten, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Freitagmorgen in einer Pressekonferenz mit Premierministerin Theresa May.
Die britische Regierungschefin sagte, sie gehe optimistisch in die nächste Verhandlungsphase. Es gehe nun um eine enge Partnerschaft, die im Interesse aller liege und vor allem für die Wirtschaft sichere Bedingungen schaffen werde. EU-Ratspräsident Donald Tusk schlug vor, zunächst über die geplante mehrjährige Übergangsphase nach dem für 2019 geplanten Brexit zu sprechen. In der Zeit soll Großbritannien wie bisher EU-Vorgaben einhalten, aber kein Stimmrecht mehr haben.
May gibt Zusage zu Irland-Grenze
Die EU hatte eine Einigung bei drei Topthemen zur Bedingung für den Start der nächsten Verhandlungsphase gemacht. Großbritannien will vor allem die künftigen Handelsbeziehungen so rasch wie möglich klären.
Schon am Montag hatten Juncker und May kurz vor einem Kompromiss gestanden, der dann aber zunächst doch nicht zustande gekommen war. „Wir haben in dieser Woche extrem hart gearbeitet“, sagte May. Seit Montag habe es vor allem wichtige Klarstellungen bei den Formulierungen zu Irland gegeben.
Die Frage, wie Grenzkontrollen zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können, war der letzte große Knackpunkt der ersten Verhandlungsphase. Irland pochte auf eine schriftliche Zusage Großbritanniens, dass es keine feste Grenze auf der irischen Insel geben werde. Diese hat May nun gegeben. „Wir werden garantieren, dass es keine harte Grenze gibt“, sagte May. Ein Sprecher der irischen Regierung erklärte daraufhin, man habe alle Ziele für die erste Verhandlungsphase erreicht.
Theresa May: keine Sonderstellung für Nordirland
Eine am vergangenen Wochenende ausgehandelte Kompromissformel war zunächst auf Widerstand der nordirischen Partei DUP gestoßen, auf deren Stimmen May im britischen Parlament angewiesen ist. In tagelangen Gesprächen wurden diese Bedenken offenbar ausgeräumt. Juncker sagte, May habe ihm versichert, die jetzt gefundene Lösung habe die Unterstützung in London.
May bekräftigte, dass die gefundene Formel keine Sonderstellung für Nordirland bedeute. Es werde auch keine Zollgrenze zwischen der britischen und der irischen Insel geben. Wie dies geschehen soll, blieb zunächst offen. May verwies auf ein künftiges Handelsabkommen mit der EU und „einzigartige“ Lösungen für die einzigartige Situation in Irland.
Die Chefin der nordirischen DUP (Democratic Unionist Party), Arlene Foster, sagte am Freitag, May habe ihr eine klare Bestätigung gegeben, dass ganz Großbritannien die EU, den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen werde. Es habe seit Anfang der Woche einen „substanziellen Fortschritt“ an dem Text gegeben. Trotzdem gebe es noch Angelegenheiten, die sie gerne geklärt hätte. „Uns ist die Zeit ausgegangen“ sagte Foster dem Nachrichtensender Sky News.
Auch Bewegung bei anderen Top-Themen
Bewegung hatte es schon vor Tagen bei den beiden anderen Topthemen gegeben: Bei den künftigen Rechten der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien und bei der Schlussrechnung Großbritanniens für die während der EU-Mitgliedschaft gemeinsam eingegangenen Finanzverpflichtungen. Juncker sagte, nun sei sicher, dass die EU-Bürger in Großbritannien ihr Leben so weiterführen könnten wie bisher. Das gelte auch für die Briten in der EU. Auch mit den finanziellen Zusagen Großbritanniens zeigte sich Juncker zufrieden.
Der Kommissionschef empfahl den 27 Mitgliedstaaten offiziell, nun in die zweite Phase der Verhandlungen einzutreten. Die Entscheidung darüber fällen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs am Freitag in einer Woche beim EU-Gipfel.
Tusk schlug unmittelbar darauf Leitlinien für die nächste Phase vor. Sein Plan: Zunächst soll nur über die geplante Übergangsphase nach dem Brexit verhandelt werden. In dieser Phase soll Großbritannien nach Tusks Vorschlag weiter Teil des EU-Binnenmarkts mit allen Freiheiten sein, aber kein Stimmrecht mehr auf EU-Ebene haben. Über die künftigen Beziehungen soll es nach Tusks Worten zunächst nur „Sondierungsgespräche“ geben, bevor die EU nächstes Jahr auch dafür Leitlinien beschließt.
May wich bei der Pressekonferenz mit Juncker der Frage aus, ob ihr angesichts der schwierigen Verhandlungen Zweifel am Brexit gekommen seien. „Das britische Volk hat gewählt und dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen“, sagte May. Und Großbritannien werde die EU verlassen.
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