Der Montag war ein Tag, an dem sich Europa von Deutschland ausnahmsweise nur eines erwartete: nicht viel. Im Brüsseler Berufungsausschuss rechnete man mit einer Enthaltung beim Thema Zulassungsverlängerung für Glyphosat, nur mit einem rechnete niemand: mit Christian Schmidt und seinem Alleingang. Am Tag nachdem der Bundeslandwirtschaftsminister eine fünfjährige Glyphosat-Verlängerung für die EU ins Ziel getragen hat, nimmt er im ARD-Morgenmagazin Platz, trägt eine grüne Krawatte und sagt: „Ich habe die Entscheidung für mich getroffen und in meiner Ressortverantwortung.“

Christian Schmidt steht seit Montagnachmittag arg in der Kritik. Die SPD-Spitze wirft dem CSU-Politiker „Vertrauensbruch“ vor, Fraktionschefin Andrea Nahles fragt sich laut, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Verbündeten noch im Griff habe. Am Donnerstag sollen zaghafte Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD in Berlin angestoßen werden, doch in den entscheidenden Tagen zuvor scheint das Gesprächsklima zwischen den möglichen Koalitionären vergiftet und das gegenseitige Vertrauen am Tiefpunkt angelangt – nicht zuletzt wegen Christian Schmidt.

Glyphosat: Hendricks war gegen die Verlängerung

Von Schmidt war erwartet worden, dass er sich im Brüsseler Berufungsausschuss elegant zurückhält, kein Ja oder Nein für Deutschland zum Thema Glyphosatverlängerung abgibt. Damit war gerechnet worden, denn immerhin hatte ihn Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zwei Stunden vor der Sitzung am Nachmittag noch daraufhin hingewiesen, dass sie ihre Position in der Frage nicht geändert hatte: Hendricks blieb bei ihrem Nein. Schmidt habe daraufhin per SMS mitgeteilt, dass der „Dissens bestehen bleibe“ – und stimmte dann für die Verlängerung des mehr als umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels. Es war die entscheidende Stimme. Glyphosat wird in der EU nun für weitere fünf Jahre zugelassen.

„Ich habe rein sachorientiert, als Fachminister, in dieser Frage entschieden“, erklärt sich nun Minister Schmidt am Dienstagmorgen im ARD-Morgenmagazin. Die Frage, ob sein Vorgehen mit der Kanzlerin abgesprochen war, bügelt er folgendermaßen ab: „Das sind Dinge, die man auf die Kappe nehmen muss – dazu ist man da. Politiker, die nie entscheiden, die ecken auch nicht an. Das sind aber auch nicht die, die das Land voranbringen.“ 

Schmidt: Fünf Jahre wären „mindestens gekommen“

„Die fünf Jahre wären mindestens gekommen“, sagt Schmidt weiter in dem Interview, „auch ohne die Entscheidung gestern in Brüssel, [nämlich] heute oder morgen von der Kommission.“ Mit seinem Vorgehen aber habe er jedoch „unsere Punkte“ einbringen wollen. Dann nennt er: Transparenz bei den Verfahren, weniger Anwendung und Biodiversität. Was genau er zu diesen Punkten herausgeholt habe, sagt Schmidt nicht.

Heute ist Christian Schmidt beim Diesel-Gipfel im Kanzleramt in Berlin, trifft dort auf Kanzlerin Merkel. Im Hinblick auf die Aufnahme möglicher Gespräche über eine große Koalition fordert Bundesumweltministerin Hendricks am selben Tag „vertrauensbildende Maßnahmen“, die „in der Tat von der Kanzlerin kommen“ müsste. Eine Entlassung von Agrarminister Christian Schmidt wäre ein solcher Schritt, sagt sie. 

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