Flüchtlingsboote zurückhalten
Rom/Brüssel (dpa) – Die Besatzungen europäischer Kriegsschiffe könnten bald direkt vor der libyschen Küste gegen Schleuserbanden vorgehen und Flüchtlingsboote an der Abfahrt hindern.
Im Verteidigungsministerium in Rom wird es für möglich gehalten, dass die Regierung bereits an diesem Freitag einen entsprechenden Einsatz der italienischen Marine beschließt. Auch auf EU-Ebene laufen nach Angaben eines Sprechers Diskussionen über eine Ausweitung des Kampfes gegen libysche Schleuserbanden. Militärisch sei man bereits vorbereitet, sagte ein Sprecher am Donnerstag.
Das italienische Verteidigungsministerium will für den Libyen-Einsatz nach Informationen der Zeitung «Corriere della Sera» zwischen 500 und 1000 Soldaten sowie Drohnen und Hubschrauber bereitstellen. Migranten könnten demnach nicht nur von der Abfahrt abgehalten, sondern auch zurück an die libysche Küste gebracht werden. Voraussetzung soll lediglich eine Garantie der libyschen Behörden sei, dass die Migranten dort menschenwürdig behandelt würden.
Ein Libyen-Einsatz könne einen «Wendepunkt» markieren, sagte Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni am Donnerstag in Rom. Dabei gehe es nicht darum, libysche Behörden zu ersetzen, sondern mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Er hatte am Mittwoch nach einem Treffen mit dem libyschen Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch in Rom angekündigt, dass ein Einsatz der italienischen Marine vom Verteidigungsministerium geprüft werde und dafür plädiert, eine entsprechende «Einladung» der Libyer anzunehmen. Nach dem Kabinett müsste nämlich auch noch das italienische Parlament zustimmen. Die Ausschüsse für die Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten sollen am Dienstag über Details der Operation informiert werden, kündigte Gentiloni an.
Schiffe der Bundeswehr, der italienischen Marine und anderer europäischer Streitkräfte sind im Rahmen der Operation «Sophia» bereits seit 2015 im zentralen Mittelmeer im Einsatz, um den Menschenschmuggel aus Libyen zu bekämpfen. Weil sie bislang nicht in den Küstengewässern des vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes operieren dürfen, konnten dabei allerdings kaum Erfolge erzielt werden.
Die professionellen Schlepper begleiten die Migranten nur noch höchstens bis an die Grenze der Hoheitsgewässer. Sie setzen dabei darauf, dass diese kurz nach dem Verlassen der sogenannten Zwölfmeilenzone von dort kreuzenden Schiffen gesichtet und aufgenommen werden. Allein die deutsche Marine rettete in dem Seegebiet bereits mehr als 21 000 Menschen, die dann nach Italien gebracht wurden.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird in Brüssel nun damit gerechnet, dass die Behörden in Tripolis bereits in der kommenden Woche offiziell ihre Zustimmung zu EU-Marineeinsätzen in der Zwölfmeilenzone signalisieren. Im nächsten Schritt könnten dann die EU-Außenminister über die eigentlich seit langem vorgesehene Ausweitung der Operation «Sophia» beraten.
Aus Diplomatenkreisen hieß es, dass vor allem die jüngsten innerlibyschen Entwicklungen Hoffnungen auf eine mögliche Ausweitung des EU-Einsatzes machten. So hatten sich am Dienstag Al-Sarradsch und sein mächtiger Gegenspieler General Chalifa Haftar auf einen Zehn-Punkte-Plan mit einer Waffenruhe und baldigen Wahlen verständigt.
Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini wollte die Informationen zur erwarteten Einsatzerlaubnis der libyschen Behörden weder bestätigen noch dementieren. Sie wies jedoch darauf hin, dass für den kommenden Dienstag ein Spitzentreffen in Tripolis geplant sei. An ihm sollten unter anderen der zuständige Befehlshaber, Konteradmiral Enrico Credendino, und der Chef der für Libyen zuständigen EU-Delegation teilnehmen.
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