Brüssel
Brüssel (dpa) – Kurz vor dem EU-Gipfel gibt es in der Gemeinschaft offenen Streit über die Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Diese seien unsinnig, sagte der slowakische Ministerpräsident und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Robert Fico.
Er wandte sich gegen die von Deutschland und Frankreich gewünschte Verlängerung. Eigentlich will die EU nach ihrem bisher schlimmsten Krisenjahr bei dem heutigen Treffen Einigkeit und Handlungsfähigkeit beweisen.
So wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen den Ausbau der EU-Verteidigungspolitik beschließen und Pläne zum Ankurbeln der Konjunktur billigen. Allerdings stehen mit der Flüchtlingskrise und dem Umgang mit Russland und der Ukraine auch
heikle Streitthemen auf der Agenda. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestand ein, dass die Gemeinschaft zu viele Krisen gleichzeitig habe. «Es brennt an allen Ecken und Enden», sagte er am Mittwochabend im ZDF.
Vor allem die Flüchtlingskrise «haben wir nicht im Griff», sagte Juncker. Zwar gebe es dank des Pakts mit der Türkei Fortschritte. Die Zahl der Menschen, die über die Ägäis nach Griechenland kämen, sei von 10.000 am Tag auf etwa 80 zurückgegangen. «Der Türkei-Deal funktioniert, aber die gesamteuropäische Antwort auf das Flüchtlingsdrama funktioniert nicht in Gänze», sagte Juncker. «Die innereuropäische Solidarität muss gestärkt werden.»
Das ist in der EU allerdings nicht Konsens. Vor allem Ungarn und seine Partner Polen, Tschechien und Slowakei wehren sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, was unter anderen Italien und Griechenland erbost.
Nun stellte sich der slowakische Regierungschef auch offen gegen die geplante Verlängerung der Russland-Sanktionen, die die EU wegen der Ukraine-Krise verhängt hatte. Sie hätten nichts zur Erfüllung der Minsker Vereinbarungen beigetragen, kritisierte Fico. Er schränkte aber ein, er werde nicht die Einheit der EU gefährden, indem er sich in der Sache gegen Deutschland und Frankreich stelle.
Schon vorher hatte sich abgezeichnet, dass die EU trotz der russischen Kriegsführung in Syrien auf die Drohung mit neuen Sanktionen gegen Moskau verzichtet. Im Entwurf für die Abschlusserklärung ist von möglichen zusätzlichen Strafmaßnahmen nicht die Rede.
Über das Thema Brexit beraten die 27 verbleibenden EU-Staaten nach dem Gipfel am Abend bei einem Essen ohne die britische Premierministerin Theresa May. Sie wollen sich auf das offizielle Austrittsgesuch aus London vorbereiten, das bis Ende März erwartet wird.
Auch abseits der Flüchtlingspolitik beschäftigt das Verhältnis zur Türkei den Gipfel. Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) rief die Teilnehmer auf, die Finanzhilfe zur Demokratisierung des Landes vorerst zu stoppen. «Ein Ziel dieser sogenannten Heranführungshilfe ist es, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Meinungsfreiheit deutlich voranzubringen», sagte Singhammer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Wir stellen fest, dass diese Ziele in den letzten Wochen nicht erreicht worden sind.»
Die Themen des EU-Gipfels
Trotz der zerstörerischen Schlacht um die syrische Stadt Aleppo soll auf konkrete Sanktionsdrohungen gegen Russland verzichtet werden. Russland wird in einem Textentwurf für die Abschlusserklärung zwar mit deutlichen Worten eine Mitverantwortung für Angriffe auf Zivilpersonen und Krankenhäuser in Aleppo vorgeworfen. Von möglichen Strafmaßnahmen ist jedoch nicht die Rede. In der Erklärung wird lediglich vage für eine gerichtliche Aufarbeitung plädiert.
Härte will die EU jedoch beim Thema Ukrainekonflikt zeigen: Russland muss damit rechnen, dass die wegen seiner Beteiligung verhängten EU-Wirtschaftssanktionen kurz nach dem Gipfel um weitere sechs Monate verlängert werden.
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