In der Migrationspolitik herrscht zwischen Europas Rechtsparteien traute Einigkeit. Andere Themenbereiche sind umstrittener zwischen Le Pen, Meloni & Co.
Die AfD hat in Magdeburg ein Wahlprogramm verabschiedet, das eine Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen und nationalkonservativen Parteien aus anderen europäischen Staaten auch in Zukunft ermöglicht. In einigen Fragen könnte es allerdings kompliziert werden.
Zwar ist man sich zum Beispiel in der Migrationspolitik weitgehend einig. Ein neuralgischer Punkt könnte aber etwa die Haltung der Partei zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine werden oder die von Spitzenpolitikern der AfD vertretene Auffassung, Deutschland müsse in den EU-Topf immer zu viel einzahlen.
Kommendes Jahr wählen die Bürgerinnen und Bürger in den EU-Mitgliedstaaten ein neues Europaparlament. Die starken Wahlergebnisse rechter Parteien bei nationalen Wahlen in den vergangenen Jahren – etwa in Finnland, Schweden oder Frankreich – könnten darauf hindeuten, dass auch das EU-Parlament deutlich nach rechts rücken wird.
Neun AfD-Abgeordnete im EU-Parlament
Derzeit sitzen neun AfD-Abgeordnete im EU-Parlament. Die AfD ist Mitglied der Fraktion Identität und Demokratie – der sechstgrößten im Parlament. Die insgesamt 62 Abgeordneten der Fraktion kommen aus neun verschiedenen EU-Ländern, die meisten davon sitzen für die rechte italienische Lega (25) und den französischen rechtsnationalen Rassemblement National (18) in Straßburg und Brüssel.
Neben der ID-Fraktion sind andere rechte Parteien in der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) mit insgesamt 66 Abgeordneten organisiert. Anders als die ID stellt die EKR einen Vizepräsidenten im EU-Parlament. Zu ihr gehören etwa die polnische PiS oder die Partei der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni, die Fratelli d’Italia.
Die Fidesz von Ungarns Regierungschef Viktor Orban war von der Europäischen Volkspartei (EVP) suspendiert worden. Nach der Suspendierung trat Fidesz aus der EVP aus, ist damit nicht mehr Mitglied. Die Abgeordneten von Fidesz sind fraktionslos. Orban ist für viele AfD-Politiker ein Vorbild. Sein Name fiel auch in Magdeburg in mehreren Bewerbungsreden.
„Es wäre zu begrüßen, die Kooperation der an Souveränität und Identität orientierten Kräfte auszuweiten und ihre organisatorische Basis zu verbreitern“, findet der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron, den die AfD auf Platz zwei ihrer Kandidatenliste für die Europawahl gewählt hat. Am Tag nach der Verabschiedung des Wahlprogramms sagt er auf Anfrage: „Wir werden, in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern, offen sein für Gespräche mit allen Parteien, die unsere grundsätzlichen Überzeugungen teilen.“
Weber wegen Nähe zu Meloni unter Druck
Wegen seiner Kontakte zu Meloni geriet der Vorsitzende der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, unlängst unter Druck. EU-Parlaments-Vizepräsidentin Katarina Barley kritisiert eine aus ihrer Sicht fehlende Distanzierung der Konservativen in Europa gegenüber den Rechten. „Allgemein gilt mittlerweile oft: Die Brandmauer der Konservativen gegenüber den Rechtspopulisten und den Faschisten gibt es nicht mehr“, sagte Barley der „Augsburger Allgemeinen“.
Mit Blick auf Weber sagte die SPD-Politikerin: „Besonders in Deutschland erleben wir bei CDU und CSU einen strammen Rechtskurs.“ Weber habe „ganz bewusst die Flanke nach rechts geöffnet und macht daraus auch kein Geheimnis“. Er wolle nach der Europawahl 2024 mit Rechtspopulisten und denen noch weiter rechts zusammenarbeiten.
Weber hatte am Sonntagabend im ZDF-„Heute Journal“ betont, seine Partei halte sich an feste Prinzipien im Umgang mit anderen Kräften. Nur wer an der Seite der Ukraine stehe, Europa positiv mitgestalten und nicht abschaffen wolle und den Rechtsstaat verteidige, könne demokratischer Partner seiner Partei sein. „In diesen drei Prinzipien gibt es für uns kein Wackeln. Wer das akzeptiert, kann politischer Partner sein“, sagte er. All die anderen, die sich nicht an diese Prinzipien hielten, wie etwa die AfD, seien Gegner „und werden von uns bekämpft“.
Programm moderater als angekündigt
Auf ihrer Versammlung in Magdeburg hatte die AfD am Sonntag ihr Programm zur Europawahl 2024 beschlossen. Darin beschreibt die Partei die EU als gescheitertes Projekt und fordert eine Neugründung als „Bund europäischer Nationen“. Das Programm fiel – auch nach Intervention der Parteispitze – am Ende moderater aus als das, was die gewählten AfD-Kandidaten für die Wahl am 9. Juni in ihren Reden vorgetragen hatten. Die Idee eines Austritts Deutschlands aus der Europäischen Union taucht darin ebenso wenig explizit auf wie die russlandfreundliche Haltung der Partei, die im Bundestag schon mehrfach für laute Kritik gesorgt hatte.
Sollten AfD und Co. bei der Europawahl deutlich mehr Stimmen bekommen, wären vor allem zwei Bereiche betroffen: Der „European Green Deal“, die Umwelt- und Klimapolitik der EU, könnte deutlich zahnloser werden. Auch Fortschritte bei der gemeinsamen Asylpolitik könnten noch schwieriger zu erreichen sein als bisher schon.
Die Fratelli d’Italia unter Meloni grenzen sich deutlich gegen Russland ab, anders zum Beispiel als der französische Rassemblement National, der so wie die AfD bislang eher kremlfreundliche Töne angeschlagen hat. Auch in Finanzfragen decken sich die Positionen nicht zwangsläufig: Während die AfD jede Form von finanzieller Solidarität misstrauisch beäugt, ist beispielsweise Italien auf Milliardenzahlungen aus dem EU-Wiederaufbaufonds angewiesen.
Neuer AfD-Spitzenkandidat innerhalb der Partei umstritten
Der neue Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, ist sogar in der rechtsnationalen ID-Fraktion umstritten, die ihn zu Beginn des Jahres für drei Monate suspendiert hatte. Dabei ging es um den Vorwurf, dass Krah die Vergabe eines PR-Auftrags der Fraktion manipuliert haben soll. Seine Mitgliedschaft in der Fraktion war 2022 schon einmal für mehrere Monate ausgesetzt worden. Damals wurde ihm vorgeworfen, dass er im französischen Präsidentschaftswahlkampf nicht Marine Le Pen von der ID-Mitgliedspartei Rassemblement National, sondern öffentlich die Partei des Rechtsextremen Éric Zemmour unterstützte.
Eine Abschaffung der EU befürwortet im rechtsnationalen Spektrum des EU-Parlaments kaum mehr jemand. Die ultrarechten Fratteli d’Italia und Matteo Salvinis rechtspopulistische Lega-Partei verstehen sich traditionell als euroskeptisch. Le Pen schwebt ein „Europa der Nationen“ vor, in dem Länder mehr Souveränität gegenüber Brüssel haben und nur dann bei gemeinsamen Projekten mitmachen, wenn es ihnen passt.
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