Von Ruppert Mayr und Sophia Weimer, dpa

Scharfe Worte bei «Breitbart»

Berlin (dpa) – Mehr als 15 Monate hatte man in Berlin auf ihn gewartet, nun sorgt er für Unmut am laufenden Band: Der neue US-Botschafter Richard Grenell stößt mit seinen Äußerungen, die konservativen Kräfte in Europa stärken zu wollen, auf Unverständnis der Bundesregierung.

Diese verlangt nun von amerikanischer Seite Aufklärung darüber, wie die in diplomatischen Kreisen ungewöhnlichen Einlassungen Grenells zu verstehen seien. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Montag in Berlin, Grenell habe bereits an diesem Mittwoch bei seinem Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt Gelegenheit, seine Äußerungen selbst einzuordnen.

Der 51-Jährige ist seit Anfang Mai US-Botschafter in Deutschland. Angeeckt ist er aber schon mehrfach. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt hatte er mit der Forderung nach einem Rückzug deutscher Unternehmen aus dem Iran für Ärger gesorgt. SPD-Chefin Andrea Nahles etwa sagte dazu, es sei zwar nicht ihre Aufgabe, Diplomatie zu lehren. «Aber ein bisschen Nachhilfe scheint er (Grenell) zu gebrauchen.»

Grenell war Berater mehrerer republikanischer Politiker und von 2001 bis 2008 Kommunikationsdirektor für vier US-Botschafter bei den UN. 2010 gründete er eine Beraterfirma, Capitol Media Partners, und trat oft beim konservativen Sender Fox News als Kommentator auf.

Schon vor seinem Amtsantritt hatte Grenell die deutsche Außenpolitik kommentiert – per Twitter natürlich, wie es sein Präsident Donald Trump auch zu tun pflegt. Am 13. April, kurz nach dem Militärschlag der USA, Großbritanniens und Frankreichs als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien, schrieb er: «Französische und britische Streitkräfte schließen sich den USA beim Schlag gegen Syrien für einen abscheulichen Chemiewaffeneinsatz gegen Zivilisten an. Deutschland hätte sich der P3-Gruppe auch anschließen sollen.»

Nun sagte Grenell der konservativen Plattform Breitbart: «Ich denke, die Wahl Donald Trumps hat die Menschen befähigt zu sagen, dass sie es einfach nicht zulassen können, dass die politische Klasse (in Europa) vor einer Wahl entscheidet, wer diese gewinnt und wer kandidiert.» Er fügte an, er sei von einer Reihe von Konservativen in Europa kontaktiert worden. «Ich möchte unbedingt andere Konservative in ganz Europa stärken.» Der Aufschwung konservativer Ideen sei durch ein Scheitern linker Konzepte zu erklären.

Vertreter der im Bundestag vertretenen Parteien kritisierten Grenell scharf. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel twitterte: «Europas Bürgerinnen und Bürger lassen sich von einem Trump-Vasallen nicht sagen, wie sie wählen sollen. Ein US-Botschafter, der sich derart in demokratische Auseinandersetzungen einmischt, ist einfach fehl am Platz.» Der frühere SPD-Chef Martin Schulz sagte der Deutschen Presse-Agentur, Grenell benehme sich nicht wie ein Diplomat, «sondern wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier». Botschafter seien Vertreter ihrer Staaten und nicht von politischen Bewegungen.

Merkel wollte sich auf Nachfrage nicht zu Grenells Aussagen äußern und verwies auf die geplanten Gespräche im Auswärtigen Amt.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte nach einem Treffen mit Merkel, Grenell habe ihn um ein Treffen am Flughafen gebeten, er komme der Bitte nach und treffe ihn «kurz». Da solle aber niemand hinein interpretieren, dass er die Bundesregierung nicht respektiere.

Die stellvertretende Vorsitzende der Links-Fraktion, Sevim Dagdelen, erklärte: «Mit seiner Ankündigung im rechtsextremen Internetportal Breitbart, sich in die Politik in Europa einmischen und konservative Kräfte stärken zu wollen, outet sich US-Botschafter Richard Grenell als Regime-Change-Beauftragter seines Präsidenten.» Sie forderte Außenminister Heiko Maas (SPD) auf, Grenell Amt einzubestellen und Washingtons Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurückzuweisen.

Grenell übte bei Breitbart auch scharfe Kritik an Nato-Mitglied Deutschland. Deutschland sei die größte Volkswirtschaft Europas und sollte seine Verpflichtungen gegenüber dem Verteidigungsbündnis ernst nehmen, sagte der von Trump entsandte Grenell in dem am Sonntag veröffentlichten Interview. Die US-Regierung fordere dies. Doch bislang habe Berlin keine ernsthaften Pläne vorgelegt, wie das Ziel zu erreichen sei, spätestens 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu stecken.

Elmar Brok (CDU), Berichterstatter des EU-Parlaments für die Beziehungen zu den USA, kritisierte im Interview mit der «Welt»: «Die rechten Parteien in Europa, die US-Botschafter Grenell aktiv fördern will, sind gleichzeitig die Parteien, die antiamerikanisch sind, mit dem russischen Präsidenten Putin zusammenarbeiten und teilweise Geld von ihm annehmen und die gegen Sanktionen gegenüber Russland sind». Die amerikanische Regierung müsse in dieser Angelegenheit eine Klärung herbeiführen.

Grenell platzt mit seinen Äußerungen in die eh schon angespannten transatlantischen Beziehungen. Seit 16 Monaten ist US-Präsident Trump im Amt, missachtet internationale Institutionen und Abkommen und irritiert Bündnispartner immer wieder mit – zumindest diplomatisch ungewohnten – Äußerungen.

In der SPD wird in Bezug auf Grenell auch Kritik an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) laut. «Bin ich der einzige, der Spahns Andienen an den neuen umstrittenen US Botschafter, glühender Trump Anhänger, peinlich findet?» schrieb SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach am Montag bei Twitter. «Vielleicht sollte er in die US zurück und nimmt Spahn gleich mit.» Anlass war ein bereits länger geplantes Gespräch eines Kreises junger CDU-Abgeordneter am Sonntag, an dem Spahn und Grenell teilnahmen. Spahn hat auch einige vorherige Treffen mit Grenell über seinen Twitter-Account öffentlich gemacht.

Grenell veranstaltet nach «Spiegel»-Informationen am Mittwoch kommender Woche ein Mittagessen für Österreichs konservativen Kanzler Sebastian Kurz. Grenell hatte sich kürzlich als «Fan» von Kurz bezeichnet.

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